Matejka, Viktor
*1901-12-04 Korneuburg (NÖ)
†1993-04-02 Wien (A)

Vater: zuerst Heurigensänger, dann Gerichtsdiener beim Kreisgericht Korneuburg. Mutter: Dienstmädchen. Viktor Matejka war das dritte Kind. Bruder: Wilhelm (*1904), Gymnasiallehrer. Volksschule und Gymnasium (auf Drängen der Mutter) in Stockerau. Viktor Matejka verdiente sich das Geld für die Einschreibegebühren und die Schule zuerst als Ministrant, dann durch Nachhilfestunden, Zettelverteilen und als Filmstatist. Matura mit Auszeichnung. Studium Geschichte und Geographie an der Universität Wien. Schüler des Sozialhistorikers Ludo Moritz Hartmann (der es als Jude nur zum a. o. Professor bringen konnte). Kontakte zu Otto Neurath und Friedrich Austerlitz. Promotion (mit einer Dissertation über Völkerrecht) zum Dr. phil. 1925. Vortrags- und Kursleitertätigkeit in der Wiener Volksbildung (Kurse über aktuelle Themen, Geographie und Geschichte). Frühe Auseinanandersetzung mit Adolf Hitlers "Mein Kampf"; Engagement für eine Überwindung der zerstörerischen politischen Polarisierungen in Österreich; Bekanntschaft mit Ernst Karl Winter und mit dem Kreis um Franz Kobler (demokratische und pazifistische Intellektuelle wie Oskar Kokoschka, Stefan Pollatschek, Rudolf Rapaport, Georg Merkel). In den 1930er Jahren mit Nikolaus Hovorka Herausgeber der Zeitschrift "Berichte zur Kultur- und Zeitgeschichte".

Nach dem Februar 1934 von dem vom Wiener Ständestaats-Bürgermeister Richard Schmitz eingesetzten Volksbildungsreferenten Carl Lugmayer als geschäftsführender Obmannstellvertreter des Volksbildungsheims Ottakring eingesetzt. Versuche, auch sozialdemokratische Referenten wie Leo Stern zu halten und eine offene Diskussion zu gewährleisten. Vortrag Ernst Karl Winters "Der Arbeiter im neuen Staat". Ab 1935 Malkurse für Arbeitslose mit Gerda (Matejka) Felden. 1936 gestattete Matejka die Aufführung von "Hiob. Oratorium für Fabriksarbeiter" von Walter Bauer (Mitglied der KPD) in der Regie des Sozialdemokraten Franz Ibaschitz; aufgrund eines Berichtes in der "Reichspost" am 17.7. 1936 amtsenthoben. Zugleich ab 1934 Kulturreferent der Arbeiterkammer Wien, damals eingegliedert in die gleichgeschaltete Einheitsgewerkschaft. Kontakte zu den in der Arbeiterkammer verbliebenen sozialdemokratischen Fachleuten wie Benedikt Kautsky und Eduard Stark. Zusammenarbeit mit der "Aktion Winter"; Versuche, politisch Verfolgte weiter zu beschäftigen oder (u. a. durch Stipendien der Arbeiterkammer) zu unterstützen und aufgelöste Arbeiterkulturorganisationen wieder aufzubauen. (Angriffe von links, in der illegalen Presse, auf diese Aktionen). In Auslandskontakten suchte Matejka Unterstützung für die Aufrechterhaltung eines unabhängigen Österreich in Frankreich und Großbritannien. Durchsetzung einer wöchentlichen Radio-Sendung (der RAVAG) "Aus Werkstatt und Büro" (Betriebsreportagen). 1935-38 Engagement für die "Gesellschaft der Filmfreunde Österreichs". 10.4. 1936 zusammen mit Otto Spranger und Anton Forcher Begründung des "Österreichischen Arbeiter-Schriftstellerverbandes" (dem u. a. Rudolf Felmayer, Alois Roßmanith, Willy Miksch, Josef Pechacek, Benedikt Fantner, Karl Gugerell angehörten), der nach dem März 1938 behördlich aufgelöst wurde.
Gegensatz zwischen den Kulturaktivitäten Matejkas und der von Guido Zernatto als Generalsekretär der "Vaterländischen Front" angestrebten Zentralisierung und Formierung der Einrichtungen für die Volkskultur im Kulturwerk "Neues Leben". Ab dem Juli-Abkommen 1936 zwischen Hitler und Schuschnigg verstärktes Einsickern von Nationalsozialisten in öffentliche Stellen. Matejka wurde von seiner eigenen neuen Sekretärin im NS-Auftrag bespitzelt. Bei seiner Verhaftung am 12.3. 1938 waren seine Auslandskontakte der Gestapo im Detail bekannt. Bis 31.3. 1938 Polizeigefängnis Roßauerlände, 1.4. 1938 mit erstem Transport ins KZ Dachau; 1940 ins KZ Flossenbürg - Freundschaft mit Karl Röder (KPD-Gefangener seit 1933) und Emil Felden (Pastor aus Bremen). Zurück in Dachau, dem Arbeitskommando Buchbinderei zugewiesen; Herstellung von "Pickbüchern" mit Zeitungsausschnitten zur Information der Mithäftlinge. 1943 'Regisseur' bei der Aufführung von Rudolf Kalmars "Die Blutnacht auf dem Schreckenstein ..." Am 7.7. 1944 nach Wien entlassen; in Spitalspflege, um der Musterung zu entgehen; dann untergetaucht. Verbindung zur Befreiungsorganisation O5.

Nach der Befreiung im April 1945 Eintritt in die KPÖ; Mitglied des ZK (1957 ausgeschieden; 1966 aus der Partei ausgetreten). April 1945-7.12. 1949 Wiener Stadtrat für Kultur und Volksbildung. Organisation der Ausstellung "Niemals vergessen" 1946; Bemühungen um die Rückholung von Emigrant/inn/en und die Würdigung ihrer Leistungen; Unterstützung der Begründung des "Instituts für Wissenschaft und Kunst". Verhinderte den Abriss der Modeschule Hetzendorf. Erkämpfte die Einführung eines "Kulturgroschen", um damit öffentliche und private Kultureinrichtungen zu fördern. Bis 1956 Gemeinderat der KPÖ für Gesundheit, Wohnen und Kultur. 1950-57 Mitherausgeber (zusammen mit Bruno Frei und Ernst Fischer) und leitender Redakteur des "Österreichischen Tagebuch" (später "Tagebuch"). Verfasser von Essays, Gelegenheitsgedichten, Erinnerungen. - 1991 als "Bürger der Stadt Wien" geehrt.

Nachlass: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW)

Bearbeitet von Karl Müller, Salzburg.

 

Links zu anderen Lexikonartikeln:

Juliabkommen (11. 7. 1936) zeigen

 

Multimedialinks:

 

Werkverzeichnis:

Das Buch Nr. 2 (Löcker, 1991) zeigen

Das Buch Nr. 3 (Löcker, 1993) zeigen

Widerstand ist alles. Notizen eines Unorthodoxen (Löcker, 1983) zeigen

 

Forschungsliteratur:

Ackerl, Isabella; Weissensteiner, Friedrich: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik (Ueberreuter, 1994) zeigen

ohne Autor: Über Viktor Matejka (o.V., 1991) zeigen

Reiter, Franz Richard (Hg.): Wer war Viktor Matejka (Ephelant, 1994) zeigen

 

Printversion aller Artikel (umfasst etwa 200 Seiten)

   

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