Flesch-Brunningen, Hans
* 1895-02-05 Brünn
† 1981-08-01 Bad Ischl

Die weitverzweigte jüdische Familie Flesch war von Frankfurt am Main in das Habsburgerreich eingewandert. Der Großvater Fs. trat zum Katholizismus über und wurde in den Adelsstand erhoben. Fs. Vater Joseph Flesch Edler von Brunningen leitete als kaufmännischer Direktor ein Industrieunternehmen. F. wuchs in Abbazia (Opatija; heute Kroatien) und in Wien auf, absolvierte das Gymnasium und begann ein Jusstudium, das durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrochen wurde. Er diente als "Einjährig Freiwilliger" in Wolhynien und Italien. Danach nahm er das Studium wieder auf und promovierte 1919. Im Oktober 1919 heiratete er zum ersten Mal. Bis 1923 arbeitete er als Bankangestellter, dann als Rechtsanwaltsanwärter in Wien. Im März 1925 verließ er seine Familie, ging nach Italien und lebte auf Capri. In Paris machte er die Bekanntschaft von James Joyce. Der literarische Einfluss von James Joyces Roman "Ulysse" ist in F.s Exilroman "Perlen und schwarze Tränen" (1948/1980) spürbar, der neben Hermann Brochs "Der Tod des Vergil" (1947) eines der wichtigsten Beispiele für die "stream of consciousness-Technik" in der österreichischen Literatur ist: Die Anlage von "Perlen und Schwarze Tränen" ähnelt der des Ulysses". Auch hier spaziert der Romanheld nicht ganz vierundzwanzig Stunden lang durch eine Stadt, die an das London der romantischen Dichter Shelley, Keats, Byron und auch an Virginia Woolfs "Orlando" erinnert. 1928 übersiedelte F. nach Berlin und lebte als freier Schriftsteller. Immer wieder unternahm er Reisen nach Frankreich und Italien. Bei einem Aufenthalt schloss er Freundschaft mit Heimito von Doderer. In November 1933 flüchtete F. vor der Gefahr rassistischer Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach Holland. Anfang 1934 erreichte er völlig mittellos London, wo er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten musste. Erst mit der Publikation seiner Texte in englischer Sprache besserte sich seine finanzielle Situation. 1939 heiratete er Sophie Glücksmann (gest. 1947). Bei Ausbruch des Krieges wurde F. von den Engländern kurzzeitig interniert, erhielt dann aber eine Anstellung bei der österreichischen, ab 1940 bei der deutschen Sektion der BBC als Sprecher, Übersetzer und Autor. Zudem arbeitete er im "Freien Deutschen Kulturbund" (ab 1938 in London) mit, beteiligte sich an der Gründung des "Club 43" und war Mitglied und später Vorsitzender des PEN.-Zentrums deutscher Autoren im Ausland. 1958 kehrte F. nach Österreich zurück, ab 1963 lebte er ständig in Wien. 1972 heiratete er die Autorin und Übersetzerin Hilde Spiel. Die phantastischen Romane und Erzählungen Fs, die er vor seinem Exil veröffentlichte, zählen zu den wenigen qualitätsvollen spät-expressionistischen Texten, die während der Ersten Republik entstanden. Die Erfahrung des Exils schlägt sich in mehreren Werken nieder, so z. B. die beiden in London veröffentlichten Romane in "Masquerade. The Blond Spider" (1938/39) und "Untimely Ulysses" (1940), die nie ins Deutsche übersetzt wurden. In zwei Romanen mit stark autobiographischen Zügen zeigt F. nicht nur seine Erfahrungen der Kriegsjahre in London ("Perlen und schwarze Tränen"), sondern auch seinen Werdegang und seine Auseinandersetzung mit seiner jüdischen Herkunft ("Die Teile und das Ganze", 1969). Exemplarisch führt F. in "Die Frumm" (1979/1981) vor, wie die Wechselfälle der politischen Geschichte dieses Jahrhunderts das Schicksal einer Einzelperson beeinflussen und bestimmen können. F. war auch als Übersetzer tätig. 1947 wurde "Then and now" von William Somerset Maugham unter dem Titel "Machiavelli in Imola oder Damals und Heute" in Zürich veröffentlicht. 1961 erschien F.s Übersetzung des umfangreichen Romans "The Flying Swans" (1960) des irischen Autors Padraic Colum unter dem Titel "Ziehende Schwäne"(1961) in Hamburg. Bearbeitet von Wilhelm Kuehs, Klagenfurt.

 

Links zu anderen Lexikonartikeln:

Mendelssohn, Peter de zeigen

Spiel, Hilde zeigen

American Guild for German Cultural Freedom zeigen

 

Werkverzeichnis:

Das zerstörte Idyll. (Wolff, 1917) zeigen

Die Frauen von Villa Nordpol (1931) zeigen

Die Frumm (Ullstein, 1981) zeigen

Die letzten Habsburger in Augenzeugenberichten (Rauch, 1967) zeigen

Die letzten Habsburger in Augenzeugenberichten (dtv, 1982) zeigen

Die verführte Zeit. Lebenserinnerungen (1988) zeigen

Herzogin von Ragusa (Das Bergland-Buch, 1935) zeigen

Perlen und Schwarze Tränen (Nymphenburg, 1980) zeigen

Untimely Ulysses (Cape, 1940) zeigen

Vertriebene - von Ovid bis Gorguloff (Elbemühl, 1933) zeigen

Wasser und Wein (1931) zeigen

 

Forschungsliteratur:

Garger, Sonja Hans Flesch-Brunningen - eine Einführung zu Leben und Werk (1995) zeigen

Killy, Walter [Hg.] Literatur Lexikon Autoren und Werke deutscher Sprache (Bertelsmann Lexikon Verlag, 1989) zeigen

Klimt, Andreas (Red.) Kürschners Deutscher Literaturkalender Nekrolog 1971 - 1998 (K. G. Saur, 1999) zeigen

Lukasser, Michaela Die Exilerfahrung im Werk von Hans Flesch-Brunningen (1989) zeigen

Patsch, Sylvia M. Österreichische Schriftsteller im Exil in Großbritannien (Brandstätter, 1985) zeigen

 

Printversion aller Artikel (umfasst etwa 200 Seiten)

  

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