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KAPITEL

1. Biographische Daten und Kontexte
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2. Hilde Spiel - Die hellen und die finsteren Zeiten - Erinnerungen 1911 - 1962
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3. Hilde Spiel - "Der kleine Bub Desidere" - Frühe Erzählungen
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4. Hilde Spiel - "Kati auf der Brücke", 1933
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5. Hilde Spiel - "Fanny von Arnstein oder Die Emanzipation"
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6. Hilde Spiel - "Lisas Zimmer"
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7. Hilde Spiel - "Welche Welt ist meine Welt?"
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8. Hilde Spiel - "Rückkehr nach Wien" - Ein Tagebuch
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9. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Hilde Spiel (1911-1990)


Als Berichterstatterin der Londoner Zeitschrift "New Statesman", eine wichtige kulturpolitische Wochenzeitschrift, kehrt Hilde Spiel 1946 nach Wien zurück und hält ihre Eindrücke in einem Tagebuch - zunächst in englischer Sprache - fest. Schon ihre Ankunft am Flughafen Schwechat zeigt ihr zum einen die Verheerung, die der Krieg hinterlassen hat und zum anderen, dass sich ihre Beziehung zu ihrer einstigen Heimat geändert hat.

New Statesman zeigen

"Ich steige aus, nicht sonderlich bewegt von der Berührung mit der Heimaterde: ein Streifen Zement erweckt keinerlei Sentimentalität." (Spiel 1996, 17)

Dies notiert sie gleichermaßen lakonisch wie metaphorisch bedeutsam. Der Anblick der zerstörten Stadt weckt die Erinnerung an ihre Jugend und Kindheit, aber keine Heimatgefühle. Zu stark sind die Erfahrungen des Krieges, als dass Spiel allzu viel Anteilnahme aufbringen könnte.

"Meine eigene Bombe hatte im Februar 1944 meinem Haus gegenüber eingeschlagen, hatte zwölf Menschen getötet und zwanzig verletzt, deren helle scharfen Schmerzensschreie mir noch in den Ohren klingen, und meine Wohnung in eine Mondlandschaft aus zersplittertem Holz und zerschmettertem Glas verwandelt." (Spiel 1996, 20)

Bei ihren Ausflügen in die Stadt, wird Hilde Spiel immer wieder mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert: "Heiligenstadt unchanged. Walked in sinking light. Heartbreak beyond words." (Spiel, Nachlass ÖLA, Schramm, 1999, 82). Die Beschreibung der ehemaligen Bewohner des Hauses, in dem sie ihre Jugend verbrachte, könnte einem Roman von Herzmanovsky-Orlando entnommen sein. Da gab es den heruntergekommenen Graf, der in diesem Fall sogar ein Nachfahre jenes legendären von Berlichingen war, den Goethe unsterblich machte. Unter dem Dach hauste weiters ein zwergenhafter Maler, der sich mit Porträtmalerei seinen Lebensunterhalt verdiente, und dazwischen verschiedene Bürger, die in der Monarchie Staatsbeamte und Armeeoffiziere gewesen waren. Aber schon damals, d. h. vor 1938, machte sich unter diesem kakanischen Sammelsurium der Nationalsozialismus breit. Was Spiel nach dem Krieg vorfindet, erinnert nicht mehr an Herzmanovsky-Orlando sondern an Helmut Qualtingers "Herr Karl". Sie trifft auf eine Hausmeisterin die 1937 ihre Stelle angetreten hat, als sie den Namen ihres Vaters nennt, entspinnt sich folgender Dialog:

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