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KAPITEL

1. Fred Wander: Kurzbiographie
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2. "Der siebente Brunnen"
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3. "Ein Zimmer in Paris"
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4. Hôtel Baalbek
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5. "Das gute Leben - Erinnerungen"
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6. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Fred Wander (1917)


Fred Wanders Erzählung "Der siebente Brunnen" schildert in erster Linie die Erfahrungen, die der Autor in verschiedenen Konzentrationslagern machen musste. . Er wurde zuerst im Lager Hirschberg im Riesengebirge, einem Außenlager des KZ Groß-Rosen, interniert. Von dort wird er in mehrere andere Lager verlegt, bis er schließlich nach Auschwitz kommt, wo er die Befreiung erlebt.

Wander, Fred: Der siebente Brunnen (Lesung eines Textausschnittes) zeigen
KZ Auschwitz II Birkenau, Grundriss des Auschwitzlagers II Birkenau im Oktober 1944 zeigen

Durch die vielen eingeflochtenen Erzählungen und Anekdoten beschwört der Text aber auch die untergegangene jüdische Kultur in Europa, versucht, sie nochmals zu vergegenwärtigen. Berichte aus dem Warschauer Ghetto wechseln sich mit dem Lebensbericht eines jüdischen Schneiders aus Amsterdam oder dem eines französischen Widerstandskämpfers ab. Die Bandbreite jüdischen Lebens - vom Ostjudentum bis zum assimilierten jüdischen Akademiker - wird immer wieder sichtbar gemacht. All diese individuellen Erzählungen stehen am Rande der Vernichtung. Ihre Erzähler wissen eines ganz genau: sollten sie zurückkehren, die Hölle des Lagers überleben können, würden sie ihre alte Welt nicht mehr wiederfinden können.

"'Der siebente Brunnen' ist weder Augenzeugenbericht noch ins Parabolische gesteigerte Fiktion, vielmehr eine Sammlung von Geschichten, die die Konzentrationslager nicht als Schreckensort einer vergangenen Epoche, sondern als Ausgangspunkt einer 'Menschheitserfahrung' zu fassen versuchen. Die Konzentrationslager stellen keinen vom alltäglichen Leben vollkommen separierten Gewaltraum dar, sondern werden als ein gleichsam auf die Spitze getriebenes Gewaltsystem beschrieben, als 'Zerrbild und letzte Ausgeburt' der herrschenden Ordnung." (Steiner 1997, 19)

Wander zeigt aber auch, dass das Lager nicht das Ende der Geschichten sein muss. Wie Menschen unter diesem Terror ihre Würde zu wahren versuchen, wie sie sich Menschlichkeit und Ordnung in diesem von den Nationalsozialisten inszenierten Chaos zu retten trachten, das sind die Themen seiner Erzählungen. Wander gibt den Leidenden Namen und Geschichte und schreibt so gegen das Ziel der Mordmaschine Konzentrationslager an, die ihre Opfer vollständig auslöschen wollte. Wie in seinen anderen Erzählungen und Romanen ("Hôtel Baalbek", "Ein Zimmer in Paris") kontrastiert Wander auch hier das friedliche Leben, das er in seiner schillernden Vielfalt beschreibt, mit der Erfahrung der Verfolgung, des Exils, des Lagers und seiner zügellosen Gewalt.

Erzählen ist hier nicht nur Gegenwehr, sondern bindet das Geschehen auch in einen eschatologischen Zusammenhang ein. Darauf verweist unter anderem das Zitat des legendären Rabbi Löw, das der Erzählung vorangestellt ist und ihr den Titel gibt:

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