zurück zum Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

1. Einleitung
anzeigen

2. Zur Vorgeschichte
anzeigen

3. "Anschluss" - literarische Pogromstimmung
anzeigen

4. Verlauf und Richtung der Exilbewegung
anzeigen

5. Zeitschriften des Exils
anzeigen

6. Anhang
anzeigen

 

Konstantin Kaiser:
Österreichische Exilliteratur im Überblick


In fast allen Ländern, in denen sich österreichische Exilgruppen zusammenfanden, entstanden Mitteilungsblätter der jeweiligen österreichischen Komitees (die sich zur Aufgabe machten, die Interessen der Exilierten und auch Österreichs zu vertreten), wurden Theater- und Kabarettaufführungen organisiert, Ausstellungen veranstaltet, Broschüren und Bücher herausgegeben. In dieser erstaunlichen Fülle von Publikationen fanden literarische Beiträge aber nur zum Teil Platz. Zwischen den politischen und kulturellen Intentionen der Herausgeberinnen von Exilzeitschriften und den Bedürfnissen einer großen und sich unter all den Schwierigkeiten dennoch entfaltenden Exilliteratur herrschte nicht nur Übereinstimmung. Für geeichte Exilpolitiker, deren Hauptziele die Anerkennung der Österreicher/innen durch das Gastland (vielfach wurden sie ja als deutsche Staatsangehörige angesehen und demgemäß als "feindliche Ausländer" interniert) und die Wiederherstellung Österreichs als selbständiger Staat waren, war die österreichische Kultur von Franz Grillparzer bis Sigmund Freud oft nur ein weiteres Argument für die nationale Eigenständigkeit Österreichs. Diese Kultur sahen sie gerne als eine fertige Gegebenheit an, auf die sie sich berufen konnten. Die Aufgabe der kulturellen Aktivitäten des Exils bestand in ihren Augen vor allem darin, den aufgeschlossenen Kreisen des Gastlandes österreichische Kultur zu vermitteln und den Exilierten selbst Unterhaltung und Trost zu spenden. Mit anderen Worten: Die Exilpolitiker hatten nur zum Teil ein Sensorium für die selbständige Entwicklung der Exilliteratur, für die neuen Probleme, vor die sie gestellt war, und die Fragen, die sie aufwarf.

Es gibt aber bedeutende Ausnahmen; eine davon war die von dem Wiener Arzt Wilhelm Gründorfer herausgegebene "Austro American Tribune", eine Monatszeitschrift, die von 1942 bis 1948 in New York erschien. Sie hieß zuerst "Freiheit für Österreich" mit dem Untertitel "Nachrichtenblatt der Arbeitsgemeinschaft für eine demokratische Republik Österreich". Sie zählte etwa 2.000 Abonnenten und hatte, einzigartig unter allen Exilzeitschriften, eine Feuilletonbeilage, die von der Schriftstellerin Elisabeth Freundlich betreut wurde. Freundlich, die mit dem Philosophen und Schriftsteller Günther Anders zusammenlebte, war schon am 11. März 1938 aus Österreich geflohen und über die Schweiz nach Paris gekommen. In Paris wurde sie Mitbegründerin der "Ligue pour l'Autriche Vivante" und des "Cercle Culturel Autrichien", 1940 floh sie über Spanien in die USA weiter und wurde, graduierte Germanistin, an der Columbia University zur Bibliothekarin ausgebildet. Als Sachbearbeiterin (die in der Praxis zumeist Karteikarten auszufüllen hatte) am Metropolitan Museum of Art verdiente sie ihren Unterhalt; für die Tätigkeit als Redakteurin des besten Feuilletons aller Exilzeitschriften bekam sie schlicht und einfach nichts. Ihr gelang es, fast alle bedeutenden österreichischen Schriftstelle/rinnen des amerikanischen Exils zur Mitarbeit zu gewinnen; aber auch etliche kleinere Arbeiten Bertolt Brechts wurden in der "Austro American Tribune" erstveröffentlicht. Hier entstand eine Kultur des literarischen Essays, dessen hervorragendste Vertreter in den USA Alfred Polgar und Berthold Viertel waren. Das hohe Niveau der Beiträge, ihre gedankliche Tiefe und historische Weitsicht beeindruckt noch heute. Auf diesen auf billiges Holzpapier gedruckten Seiten, wurde das Exil nicht nur als Not, sondern auch als Chance, als Chance zu einer grundlegenden Neuorientierung, gesehen. Elisabeth Freundlich selbst hat eine solche positive Einstellung zum Exil in den Versen von Günther Anders manifestiert, die sie ihrer Autobiographie voranstellte:

Austro American Tribune: January 1945 (Rezension von Ernst Waldinger) zeigen

Wer uns in Fahrt bringt, macht uns erfahren, Wer uns ins Weite stößt, uns weit. Nun danken wir alles den fahrenden Jahren, und nichts der Kinderzeit. (Freundlich 1992)

Rosenberg, Alfred zeigen
Nürnberger Rassegesetze zeigen
Hitler-Stalin-Pakt zeigen
Canetti Elias zeigen
Bertolt, Brecht zeigen
Canetti, Elias zeigen
Leitfragen: Überblick Nr. 1 Konstantin Kaiser: Österreichische Exilliteratur im Überblick zeigen
Leitfragen zu allen Überblicken und Porträts zeigen

S. 10/10 vorherige Seite - nächste Seite

  

IMPRESSUM | 2002 © UNIVERSITÄT SALZBURG