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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Deutschland 1933: Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
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3. Österreich zwischen 1933 und 1938 als Asyl- und Transitland
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4. Rechtliche Grundlagen des Asyl- und Fremdenrechts in Österreich zwischen 1933 und 1938
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5. Zur Asylpraxis nach 1933
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6. Fremdengesetz gegen deutsche Flüchtlinge 1935-1938
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7. Deutsche Schriftsteller/innen im österreichischen Exil
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8. Verlage
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9. Carl Zuckmayer
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10. August Hermann Zeiz
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11. Hubertus Prinz zu Löwenstein und der Aufbau der "American Guild for German Cultural Freedom"
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12. Theater und Film
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Das Exilland Österreich zwischen 1933 und 1938


Hergestellt wurden die unabhängigen Filme in deutscher Sprache meistens in Österreich, Ungarn oder der CSR, die meisten produzierte die Universal Pictures GmbH. Dieser amerikanische Filmkonzern betrieb in Europa mehrere Niederlassungen, darunter eine bis 1936 in Wien. Ein weiteres Charakteristikum der unabhängigen Filmproduktion ist ihre Zusammenarbeit mit ausländischen Produktionsfirmen. Auch früher bestehende Kontakte wurden zu einem von Deutschland unabhängigen Engagement genützt. Besonders intensive Kontakte gab es in die Benelux-Staaten und nach Skandinavien. So entstanden in Wien mit holländischem Kapital produzierte Filme: "Alles für die Firma" (1935, R: Rudolf Meinert, für den niederländischen Markt auch in holländischer Version gedreht) und "Singende Jugend" (1936, R: Max Neufeld). In Zusammenarbeit mit Schweden entstand der in einer deutschen und schwedischen Version gedrehte Film "Rendezvous im Paradies" (Skeppsbrutne Max 1936, R: Max Neufeld, mit Max Hansen). (vgl. Loacker, Prucha, MAL 32/4 1999)

Theater-Arbeitsbedingungen

Wie der gesamte kulturelle Bereich war das Theater von einer übergreifenden Krise und hoher Arbeitslosigkeit geprägt. 1933 waren in Wien von 15 existierenden Theatern 7 geschlossen. Mit Stichtag 1. Dezember 1934 gab es gegenüber 966 Theaterkünstlern mit Engagement über 1.000 ohne Beschäftigung. Die Kulturpolitik des Austrofaschismus war auch auf dem Gebiet des Theaters feindlich gegenüber den in Österreich Exil suchenden Künstlern ausgerichtet. Die Situation für Exilanten wurde durch die Verordnung vom 29.1. 1934 überaus schwierig, als das "Inländerarbeiterschutzgesetz" erstmals auf "höheres Kunstpersonal" ausgedehnt wurde. Darüber hinaus setzte das Regime alsbald zusätzliche Maßnahmen. 1934 wurde der Ring österreichischer Bühnenkünstler als Nachfolgeorganisation des aufgelösten Deutsch-österreichischen Bühnenverbands, in dem die Sozialdemokraten dominiert hatten, gegründet. Der Ring bestimmte durch die Einführung eines Berechtigungsscheines über die formalen Voraussetzungen für ein Engagement an einem konzessionierten Theater. Nötig dafür war eine Bühnenberechtigungsprüfung, die Mitgliedschaft beim Ring und ein Unbescholtenheitszeugnis. Mit Hitlerdeutschland schloss der Ring österreichischer Bühnenkünstler einen Sondervertrag: er nahm nur deutsche Bühnenkünstler, die bereits eine Mitgliedschaft bei der Reichstheaterkammer vorweisen konnten. Dadurch ergab sich ein indirekter "Arierparagraph" für deutsche Schauspieler auf österreichischem Boden. Am Burgtheater etwa war damit ein Engagement ausgeschlossen. Verhinderte im Großen und Ganzen diese Bestimmung zwar die Engagements an konzessionierten Theatern, so gab es für einzelne prominente Schauspieler und Schauspielerinnen Ausnahmen. Gerade die großen Wiener Privattheater, wie das Theater in der Josefstadt, die Scala oder das Deutsche Volkstheater konnten immer wieder Ausnahmegenehmigungen erreichen.

Theater in der Josefstadt

Am Theater in der Josefstadt waren unter der Leitung von Otto Preminger und ab 1935 unter der Ernst Lothars zahlreiche Emigranten wie Albert und Else Bassermann, Max Pallenberg, dessen Frau Fritzi Massary und der 1944 in Auschwitz umgekommene Otto Wallburg engagiert. Ensemblemitglied war auch Leo Reuss. Der erfolgreiche Schauspieler kehrte nach seinem Ausschluss aus der Reichstheater- und Reichsfilmkammer im Jahr 1935 nach Österreich zurück. Da er nach dem Ende der Monarchie seine Option auf die österreichische Staatsbürgerschaft verfallen ließ und daher staatenlos war, hatte er große Schwierigkeiten mit einer Arbeitsgenehmigung. Diese Situation ließ ihn zu einem drastischem Mittel greifen. In der Maske eines einfachen Bergbauern, den es seit frühester Jugend zum Theater drängte, erhielt er ein Engagement im Theater in der Josefstadt und debütierte im Dezember 1936 mit sensationellem Erfolg als Herr von Dorsday in Arthur Schnitzlers "Fräulein Else". Einige Tage später flog der Schwindel auf, Reuss erhielt zwar für die Aufführungsdauer von "Fräulein Else" eine Arbeitsgenehmigung, zu weiteren Auftritten in der Josefstadt kam es nicht mehr. Ein Bezirksgericht verurteilte ihn wegen Falschmeldung zu einer Geldstrafe. Bis Saisonende 1937 trat er in den "Jüdischen Künstlerspielen" auf.

Der Schauspieler Leo Reuss als Herr von Dorsday zeigen

Mit einem Vertrag von Metro-Goldwyn-Meyer in der Tasche, verließ Leo Reuss am 17. September 1937 Österreich, um eine zweite Karriere als Lionel Royce in Hollywood zu starten, wo er überwiegend den "bad German" in Antinazifilmen verkörperte. Im Frühjahr 1946 stirbt er während einer Tournee für die Südpazifik-Truppe in Manila. Es wäre verfehlt, reduzierte man diese Aktion auf ein gelungenes Schelmenstück und unterschlüge man die politische Dimension dieser Aufsehen erregenden Aktion, nämlich das Lächerlichmachen der NS-Rassenideologie. Dass der einzige Weg zu einem Engagement über die Annahme einer der ständestaatlichen Kulturpolitik nicht zuwiderlaufenden, fremden Identität führen mochte, hat Leo Reuss auf sicherlich spektakulärste Weise vorgeführt, aber er war nicht der Einzige. Gerade auf dem Gebiet des Theaters oder des Films kam es immer wieder dazu, dass unter der Tarnkappe des Pseudonyms weitergearbeitet wurde. Unter dem Namen Robert Neuner stand der von den Nazis mit Schreibverbot belegte Erich Kästner mit seinem Stück "Das lebenslängliche Kind" 58mal auf dem Spielplan des Burgtheaters.

"Das im Deutschen Volkstheater heißt 'Wasser für Canitoga', von Georg Turner. Es gehört thematisch zur angenehmen Gattung der sachlichen Stücke. Wir erfahren etwas von Aquädukten, Wasserbau-Ingenieuren, Caisson-Arbeit ...Es ist unmöglich, von so viel Technik nicht gefesselt zu sein. In deren interessantes Spiel mischt sich das der menschlichen Leidenschaften ..." (Polgar 1980, 184)

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