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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Deutschland 1933: Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
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3. Österreich zwischen 1933 und 1938 als Asyl- und Transitland
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4. Rechtliche Grundlagen des Asyl- und Fremdenrechts in Österreich zwischen 1933 und 1938
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5. Zur Asylpraxis nach 1933
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6. Fremdengesetz gegen deutsche Flüchtlinge 1935-1938
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7. Deutsche Schriftsteller/innen im österreichischen Exil
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8. Verlage
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9. Carl Zuckmayer
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10. August Hermann Zeiz
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11. Hubertus Prinz zu Löwenstein und der Aufbau der "American Guild for German Cultural Freedom"
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12. Theater und Film
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Das Exilland Österreich zwischen 1933 und 1938


Erfolgreich war auch der bereits erwähnte, als Georg Fraser publizierende August Hermann Zeiz, überdies Co-Autor des publikumswirksamen Stückes "Wasser für Canitoga", das unter dem Pseudonym Georg Turner mit großem Erfolg 1936 am Deutschen Volkstheater uraufgeführt wurde. Hinter diesem Pseudonym verbarg sich der Berliner Schriftsteller Hans J(osé) Rehfisch, der 1933 nach Wien kam und 1936 nach Großbritannien weiteremigrierte. Zunächst übernahm er als künstlerischer Leiter gemeinsam mit Conrad Dwerthon die leerstehende Komödie in der Johannesgasse, der Betrieb wurde aus völligen Kapitalmangel nach ein paar Produktionen wieder eingestellt. Rehfisch fand freundschaftliche Unterstützung durch den Marton-Verlag und in der Folge kam es zu einigen erfolgreichen Inszenierungen seiner Stücke an Wiener Bühnen. Wie für "Wasser für Canitoga" wurde für fast alle weiteren Stücke ein Deckname gewählt. S. Philips für "Gentlemen" (U: Deutsches Volkstheater 1935), H.G. Tennyson Holmes für "Der lächerliche Sir Anthony" (Akademietheater 1937, U: Zürcher Schauspielhaus 1935). Das 1934 im Deutschen Volkstheater uraufgeführte Schauspiel "Doktor Semmelweis" wurde wie die in der Regie Rudolf Beers 1937 an der Scala uraufgeführte Komödie "Erste Liebe" unter seinem eigenen Namen herausgebracht. Es ist anzunehmen, dass neben einem Teil der Presse (Oskar Maurus Fontana im "Wiener Tag") sowohl die Nationalsozialisten als auch die österreichische Kulturbürokratie über die Täuschung informiert waren. Doch schien kein besonderes Interesse an der Enthüllung des wahren Sachverhaltes zu bestehen, neben dem Unterhaltungswert war nicht zuletzt der finanzielle Erfolg der harmlosen Gebrauchsstücke ausschlaggebend dafür, dass man sich mit dem "formalen Schein" zufriedengab.

Theater an der Wien

Neben dem Theater in der Josefstadt bot auch das Theater an der Wien zahlreichen Emigranten Engagements. Arthur Hellmer, der ehemalige Direktor des Neuen Theaters in Frankfurt, war selbst Exilant. Mit seinem seichten, am breiten Publikumsgeschmack orientierten Spielplan sollte er in den knapp eineinhalb Jahren seiner Direktion (September 1936 bis März 1938) zu einem der erfolgreichsten Theaterdirektoren Wiens werden. Ein Sensationserfolg war das musikalische Lustspiel "Axel an der Himmelstür" (Buch: Paul Morgan und Adolf Schütz, Musik: Ralph Benatzky, Liedtexte: Hans Weigel), das der später von den Nazis als "Garbokonkurrenz" protegierten Zarah Leander zu ihrem Durchbruch verhalf. Im Ensemble finden sich aber eine Reihe von aus Deutschland geflüchteten Schauspielern oder Österreicher, die 1938 ihr Land verlassen mussten: Felix Bressart, Herbert Berghof, Otto Wallburg, Leo Askin, Manfred Inger, Oskar Dénes, Hans Jaray, Erwin Parker, Rosy Barsony, Emil Stöhr, Ludwig Donath, Leo Reuss.

Österreichische Volksbühne

Im Sommer 1933 kehrte der gebürtige Wiener Walter Firner, der in Deutschland u. a. im Ensemble des Deutschen Staatstheaters beschäftigt war, nach Wien zurück. Auch er musste wie viele die Erfahrung machen, dass man den Flüchtlingen alles andere als entgegenkommend gegenübertrat, was Arbeitsmöglichkeiten anbelangte. Eigeninitiative war die Antwort Firners, er, der bereits in Deutschland Erfahrungen mit einem Schauspielerkollektiv gesammelt hatte, organisierte ein hauptsächlich aus Emigranten zusammengesetztes Ensemble, das unter dem Namen "Österreichische Volksbühne" vorwiegend Inszenierungen von Klassikern für ein junges Publikum anbot. Die erste Spielzeit 1933/34, in der neben Eichendorffs "Die Freier", Stücke von Shakespeare und Schiller auf dem Spielplan standen, verlief vielversprechend. Doch Firners Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit mit der austrofaschistischen Kulturbürokratie im Hinblick auf das inzwischen gegründete "Theater der Jugend", das mit Hilfe eines Abonnement- und Vertriebssystems Inszenierungen an Schulen vermittelte, zerschlugen sich angesichts des Antisemitismus der verantwortlichen Beamten. So verlegte man sich zunehmend auf ein anderes Repertoire und versuchte sich an wechselnden Spielorten, darunter auch in Brünn und Preßburg, als literarische Avantgardebühne zu profilieren. Auch Firners Unternehmen endete mit dem Einmarsch der Nazis, er flüchtete mit seiner Frau Irma in die USA, von wo er 1946 nach Wien zurückkehrt ist.

Kabarett- und Kleinkunstbühnen und die Theater mit 49 Sitzplätzen

Doch nicht nur an den großen Theatern herrschte eine rege Fluktuation von Schauspielerinnen und Schauspielern, Engagements boten auch die Kabarett- und Kleinkunstbühnen und die Theater mit 49 Sitzplätzen. Diese verdankten ihr Bestehen einer Besonderheit des Wiener Theatergesetzes von 1930, das Theaterräume für weniger als 50 Personen von der Konzession befreite.

Dazu gehörten: Das Theater für 49, das Moderne Theater am Schwarzenbergplatz, das Theater am Neubau, die Tribüne, Die Insel und das Jüdische Kulturtheater. Eine Sonderstellung innerhalb dieser Bühnen nimmt das Jüdische Kulturtheater ein. Das 1935 als Teil der Jüdischen Volksbildungsbewegung gegründete Theater kann von der Ensemblestruktur her gesehen als Emigrantentheater bezeichnet werden. Einer der Mitbegründer war Oscar Teller, Gründer der Jüdischen Kulturstelle und Initiator des Jüdisch-politischen Cabarets in Wien. In seinem New Yorker Exil bildete er mit Viktor Schlesinger das bis Anfang der Fünfziger Jahre existierende "Orginal Jüdische Heurigenduo". Das Stammensemble bestand aus: Max Friedmann, Elias Jubal, Alice Koch, Joachim Laatz, Fritz Links, Michael Orlan (= Friedrich Rittermann) und Rudolf Weiss. Das in deutscher Sprache spielende Theater hatte einen für Wien einzigartigen, zeitkritischen Spielplan zu bieten. Neben der Inszenierung jiddischer Dramen in deutscher Übersetzung, gab es eine Reihe von Stücken, die sich mit dem Antisemitismus beschäftigten. Am erfolgreichsten war dabei "Die Grenze". Das Drama behandelt das Schicksal einer jüdischen Familie unter den Nazis. 1936 erschien es im Gsur-Verlag, als Autoren werden die Dänen Morten Cederlund und Niels Dahlberg angegeben, als Übersetzer Albert Ganzert - ein Pseudonym des wahren Autors Awrum Halbert. Am 11. März 1938 wurde das am Franz Josefskai 3 beheimatete Theater geplündert und geschlossen.

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