zurück zum Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

1. Einleitung
anzeigen

2. Deutschland 1933: Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
anzeigen

3. Österreich zwischen 1933 und 1938 als Asyl- und Transitland
anzeigen

4. Rechtliche Grundlagen des Asyl- und Fremdenrechts in Österreich zwischen 1933 und 1938
anzeigen

5. Zur Asylpraxis nach 1933
anzeigen

6. Fremdengesetz gegen deutsche Flüchtlinge 1935-1938
anzeigen

7. Deutsche Schriftsteller/innen im österreichischen Exil
anzeigen

8. Verlage
anzeigen

9. Carl Zuckmayer
anzeigen

10. August Hermann Zeiz
anzeigen

11. Hubertus Prinz zu Löwenstein und der Aufbau der "American Guild for German Cultural Freedom"
anzeigen

12. Theater und Film
anzeigen

13. Anhang
anzeigen

 

Ulrike Oedl:
Das Exilland Österreich zwischen 1933 und 1938


Die in den Medien, wenige Tage nach Hitlers Machtergreifung stattgefundene Diskussion über den Umfang des Asylrechtes, lässt klar erkennen, dass von Regierungsseite eine linke Emigration nach Österreich unerwünscht war. (vgl. Rathkolb 1991, 113). In ihrer Ausgabe vom 10. Februar 1933 kritisierte die sozialdemokratische "Arbeiterzeitung" eine Weisung des für Sicherheitsfragen zuständigen Staatssekretärs Fey an die Grenzorgane, in der eine "scharfe Inspizierung der nach Österreich reisenden Ausländer" gefordert wurde. Für die "Arbeiterzeitung" ein eindeutiger Versuch, die Einreise deutscher politischer Flüchtlinge zu verhindern. Doch trotz der Dementi Feys in der regierungstreuen "Reichspost" ist die politische Zielrichtung dieser Maßnahmen unübersehbar. Noch waren allerdings die Sozialdemokratie eine starke Oppositionspartei, so dass eine generelle Schließung der Grenzen für deutsche Sozialisten nicht durchsetzbar war. Wie unerwünscht aber ein "politischer Zuzug" war, beweist eine nach dem Reichstags-Brand erlassene Verfügung, nach der gegen all jene ohne Pass oder Einreisevermerk in Österreich sich befindlichen Deutschen Schubverfahren einzuleiten seien, auch seien politisch Verdächtige bei der Einreise zurückzuweisen. Wie sehr man an der "Abschaffung" solcher Menschen interessiert war, zeigen die überfallsartig in Massenquartieren durchgeführten Razzien. In der Praxis bedeutete dies, dass Ende 1933 die österreichische Bürokratie und Regierungsdiktatur die "kommunistische Linke" von einem Exil in Österreich ausgeschlossen hatte. Einzig in Wien konnte anfangs noch mittels eines Rekurses beim sozialdemokratischen Wiener Bürgermeister Karl Seitz, der auch Landeshauptmann war, in einzelnen Fällen gegengesteuert werden.

Immer öfter wurden auch "unpolitische" Flüchtlinge unter Hinweis auf ihre mangelnden finanziellen Mittel an der Einreise gehindert. Diese zunehmend ausländerfeindliche Politik zeigte sich auch darin, dass die bis dahin praktizierte Einbürgerung durch Verleihung von Landesbürgerschaften abgeschafft wurde, seit Dezember 1933 war für eine Einbürgerung ein Ministerratsbeschluss nötig, und daher entsprechend selten.

Festzuhalten bleibt, dass die Bedingungen für Flüchtlinge aus Deutschland insgesamt sehr ungünstig waren. Aufgrund der österreichischen Einwanderungsstatistiken wird ersichtlich, dass es 1933/34 sogar einen geringen Rückgang "reichsdeutscher Einwanderer" zu verzeichnen gab. Weitere Indizien für restriktivere Einwanderungsbestimmungen und kaum erteilte Arbeitsbewilligungen sind folgende Zahlen: 1935 gab es 11.747 ausländische Beschäftigte, davon 5.399 Verlängerungen. Nur 1.915 waren "Reichsdeutsche Staatsbürger", davon 600 Verlängerungen. Auch 1936 ist nur ein geringer Anstieg auf 2.113 Bewilligungen zu verzeichnen, davon waren 526 Verlängerungen. Augenfällig ist auch die durch die bereits erwähnte Änderung der Bestimmungen gesunkene Zahl von Einbürgerungen deutscher Staatsbürger: 1933 waren es 526 von insgesamt 5.135, 1934 gar nur mehr 56 von 2.178. Wie ungünstig die Bedingungen für deutsche Flüchtlinge insgesamt waren, beweist eine weitere Zahl: nur 2.500 jüdische Flüchtlinge haben in Österreich Zuflucht gesucht. Die Israelitische Kultusgemeinde hat dabei die notwendigste Unterstützung geleistet. (vgl. Adunka, MdZ 16/2)

Zum Vergleich: nach Angaben des Hochkommissars des Völkerbundes befanden sich 1935 65.000 deutsche Staatsbürger als Opfer rassistischer Verfolgung im Exil, zusätzlich 5.000 bis 6.000 Sozialdemokraten, 6.000 bis 8.000 Kommunisten und 5.000 Oppositionelle anderer ideologischer Richtungen.

Sogar das katholisch-konservative Exil aus Deutschland musste um seine Akzeptanz im Klerikofaschismus kämpfen. Erst 1936 wurde im Rahmen der Caritas der Erzdiözese Wien eine Hilfsstelle für katholische Flüchtlinge errichtet. Kontrovers ist die innerkatholische Auseinandersetzung in den Medien verlaufen: Das von den katholischen Emigranten Dietrich von Hildebrandt und Klaus Dohrn begründete Wochenblatt "Der Christliche Ständestaat" stieß auf heftige Kritik seitens katholischer Kreise, v. a. seitens der Zeitschrift "Schönere Zukunft", die unverhohlen die nationalsozialistische Propaganda unterstützte; Obrservierungen und Abhören von Telefonaten waren die Folge. Was angesichts von Hildebrandts Förderung durch das Regime - immerhin wurde er zum Professor für Philosophie an der Universität Wien ernannt - und seinen Ansichten über "positives" und "negatives" Emigrantentum sowie seinen Vorstellungen von einem übernationalen gesamtdeutschen Reich nach Überwindung des Nationalsozialismus doch verwundern muss.

S. 7/19 vorherige Seite - nächste Seite

  

IMPRESSUM | 2002 © UNIVERSITÄT SALZBURG