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KAPITEL

1. Klassisches Exilland - Mythos und Realität
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2. Zur Asylpolitik der Schweiz
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3. "Das Boot ist voll". Maßnahmen gegen unerwünschte Flüchtlinge
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4. Asylgewährung
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5. Hilfsorganisationen
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6. Die Internierung von Flüchtlingen
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7. Paul Grüninger
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8. Österreichische Exilantinnen und Exilanten in der Schweiz
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9. Transitland Schweiz
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10. Vom Leben im Schweizer Exil
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11. Das Zürcher Schauspielhaus
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12. Rückkehr
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Exilland Schweiz


Um für die Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen, war ein durch mehrere Instanzen laufendes Behördenverfahren notwendig. Das der Zolldirektion unterstellte Grenzwachtkorps überwachte die Grenzen, seine Vertreter entschieden über Aufnahme oder Abweisung der Flüchtlinge. Als nächste Instanz entschied der zum Eidgenössischen Militärdepartement gehörige Territorial-Kommandant in Kooperation mit der Eidgenössischen Polizeiabteilung in Bern, ob die Entscheidung des Grenzwachtkorps über die Aufnahme des Flüchtlings aufrechtzuerhalten sei. Der Territorial-Kommandant entschied auch über Aufnahme oder Abweisung der unter Umgehung des Grenzwachtkorps ins Landesinnere gelangten Menschen.

Die Fremdenpolizei regelte und kontrollierte also nicht nur die "Einreise" der Flüchtlinge, diese standen auch im Landesinneren unter ihrer Aufsicht. Zu den Bestimmungen der Fremdenpolizei für das "Innere" zählten das bereits erwähnte Gebot zur möglichst raschen Weiterreise, das Verbot jeder politischer Betätigung unter Berufung auf die Schweizer Neutralität und ein striktes Arbeitsverbot - Maßnahmen, die den Flüchtlingen jede Möglichkeit zur Integration verwehrten und somit die gesetzlich vorgesehene Weiterreise vorantreiben helfen sollten.

In letzter Instanz war der Bundesrat für die Flüchtlingspolitik der Schweiz zuständig, doch musste er aufgrund der politischen Strukturen Konzessionen gegenüber den Kantonen und auch der Armee eingehen. Da der Bund kein eigenes Territorium besaß, blieb es den einzelnen Kantonen vorbehalten, Aufenthaltsbewilligungen für Flüchtlinge zu erteilen. Diese sogenannten "Toleranzbewilligungen" wurden nur für einen vorläufigen Aufenthalt ausgestellt. Etliche, vorzugsweise konservative und ländliche Kantone machten außerdem von dem Recht, Flüchtlinge abzuweisen, ausgiebig Gebrauch. Sie fürchteten, für die finanzielle Unterstützung der meist mittellosen Flüchtlinge aufkommen zu müssen. Als ab Mitte 1942 aufgrund der einsetzenden Massenvernichtung in den besetzten Gebieten ein neuerliches Ansteigen der Flüchtlingszahlen befürchtet wurde, verweigerten daher fast alle Kantone das Ausstellen von Toleranzbewilligungen. Der Bundesrat, der mittlerweile aus humanitären Gründen die "Ausschaffung" von ins Landesinnere gelangten Personen nicht mehr verantworten mochte, reagierte darauf mit einem "Beschluss vom 12. März 1943", der die Flüchtlinge, unter Umgehung des kantonalen Aufnahmerechtes, direkt der Eidgenössischen Polizeiabteilung unterstellte - damit erhielten sie quasi eine eidgenössische Toleranzbewilligung.

Dabei kam es zu einer neuen Definition der Begriffe "Flüchtling" und "Emigrant": Personen, die vor dem 1. August 1942 eingereist waren, wurden als "Emigranten" bezeichnet, sie unterschieden sich von den nach diesem Termin eingereisten und als "Flüchtling" bezeichneten Personen dadurch, dass sie noch im Besitz der Toleranzbewilligung eines Kantons waren. Welche rechtlichen Konsequenzen diese unterschiedlichen Bezeichnungen hatten, erwies sich erst nach Kriegsende: Emigranten mit der Toleranzbewilligung eines Kantons konnten früher aus den Arbeitslagern entlassen werden.

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