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KAPITEL

1. Klassisches Exilland - Mythos und Realität
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2. Zur Asylpolitik der Schweiz
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3. "Das Boot ist voll". Maßnahmen gegen unerwünschte Flüchtlinge
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4. Asylgewährung
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5. Hilfsorganisationen
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6. Die Internierung von Flüchtlingen
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7. Paul Grüninger
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8. Österreichische Exilantinnen und Exilanten in der Schweiz
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9. Transitland Schweiz
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10. Vom Leben im Schweizer Exil
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11. Das Zürcher Schauspielhaus
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12. Rückkehr
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Exilland Schweiz


Einen wichtigen Gegenpol zur offiziellen Schweizer Flüchtlingspolitik stellten die schweizerischen Hilfsorganisationen dar, die sich im Juli 1936 zur "Zentralstelle für Flüchtlingshilfe" zusammengeschlossen hatten, um so auf einer breiteren Basis wirksamer und einheitlich gegen die Maßnahmen der bundesrätlichen Asylpolitik auftreten zu können. In vielen Fällen konnten sie mit ihren Interventionen bei den Behörden die Auslieferung verhindern. Erfolgreich waren etwa auch ihre Bemühungen im August 1942, also zu einer Zeit der äußerst rigiden Handhabung der Flüchtlingsgesetze. Vertreter der "Zentralstelle" konnten den Leiter der Fremdenpolizei, Dr. Heinrich Rothmund, dazu bringen, die strengen Einreisebestimmungen wenigstens etwas zu lockern, um so zumindest einigen die Flucht in die Schweiz zu ermöglichen. Zu dieser "Zentralstelle" gehörten dreizehn Hilfsorganisationen unterschiedlicher politischer und konfessioneller Orientierung, wie, neben verschiedenen kantonalen Hilfswerken, z. B. der Verband Schweizerischer Israelitischer Armenpflege, das Schweizerische Hilfswerk für Emigrantenkinder (SHEK), die Aide aux Emigrés (später Service Social en Suisse), das Schweizerische Hilfskomitee für evangelische Flüchtlinge, die europäische Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen in Genf, der Schweizerische Caritasverband, das Schweizerische Arbeiterhilfswerk.

Eine zentrale Rolle spielte dabei der "Verband Schweizerischer Israelitischer Armenpflege" (VSJA), da sich seit dem März 1933 die Schweizer Juden intensiv mit der Organisation und Finanzierung des Flüchtlingsproblems befassen mussten. Nachdem sich die Kantone bei der Ausgabe von Aufenthaltsbewilligungen unter Hinweis auf zu befürchtende finanzielle Belastungen sehr zurückhaltend verhielten, verpflichtete sich der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) den Bundesbehörden gegenüber, die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der zumeist österreichischen mittellosen Juden zu übernehmen und sie bei ihrer Weiterreise zu unterstützen. In der Folge errichtete der SIG in Basel, Schaffhausen, Diepoldsau, Zürich mehrere Lager für mittellose Emigrant/innen ein.

Unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Kantone in Flüchtlingsfragen, weigerten sich die eidgenössischen Behörden bis 1940, die Betreuung der Flüchtlinge finanziell zu unterstützen. Dabei signalisierte der Bundesrat, dass er seine Aufnahmekontingente von der Spendenbereitschaft der Schweizer Juden abhängig machen werde. Die Schweizer Juden wurden damit in einer inakzeptablen Weise für das Schicksal der Verfolgten verantwortlich gemacht. Ohne die Unterstützung ausländischer Organisationen, wie des American Joint Distribution Committee (JOINT) und des HICEM (Zusammenschluss der Hebrew Sheltering and Immigrant Aid Society, der Jewish Colonization Association und der Emigdirect) wäre es unmöglich gewesen, die enormen Belastungen auch nur einigermaßen zu bewältigen. Als nach dem März 1938 erneut die Zahl der zumeist mittellosen jüdischen Flüchtlinge anstieg, plädierten - wohl aus Angst vor weiteren finanziellen Belastungen - auch einzelne Repräsentanten der Schweizer Juden für eine beschränkte Aufnahme der Flüchtlinge.

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