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KAPITEL

1. Die politische Natur und Tradition des Widerstandsbegriffs
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2. Positives Recht und Naturrecht
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3. Die romantische Frage nach dem Widerstand der Poesie
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4. Fragwürdige Darstellbarkeit des Zeitgenossen
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5. Parallelität von politischer und ästhetischer Neuorientierung
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6. Weltanschauliches Engagement und ideologische Skepsis
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7. Nachkriegssituation
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8. Differenz und Übereinstimmung zwischen Exil- und Widerstandsliteratur
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9. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Literatur und Widerstand


In der Diskussion um Widerstandsrecht und -pflicht lassen sich eine positivistische Schule und eine dem Naturrecht verpflichtete Schule unterscheiden. Während für die einen Widerstand allenfalls dort zur Pflicht wird, wo von Staatsorganen geltendes positives Recht verletzt wird, leiten die anderen das Widerstandsrecht aus unveräußerlichen, dem Menschen angeborenen Rechten ab, die in der bestehenden Rechtsordnung nicht berücksichtigt oder sogar direkt verletzt sind. Der Widerstand richtet sich in diesem Fall nicht gegen einzelne obrigkeitliche Verfehlungen und Willkürakte, sondern gegen ein System des Unrechts. Der im Namen der unveräußerlichen Menschenrechte erhobene Widerstand zielt somit auf eine Veränderung des bestehenden Rechtssystems, sei es durch Reform, durch allmähliche Anpassung an die Forderungen der Menschlichkeit, sei es durch gewaltsamen Umsturz.

Auch der marxistisch argumentierende Bertolt Brecht stellt sich als Widerstandsautor in die Tradition des Naturrechts, wenn er in einer damals unveröffentlichten Anmerkung zu seiner Rede auf dem I. Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur (Paris, Juni 1935) schreibt:

"... ohne die Hoffnung, daß die Quelle der Barbarei verstopft ist und versiegt, wenn der Privatbesitz an Produktionsmitteln beseitigt ist, kann heute keiner ein zuverlässiger Kämpfer gegen den Faschismus sein." (Brecht 1967, 247).

Hier geht es nicht um eine ökonomische Umwälzung, sondern um ein der menschlichen Würde (ein Begriff, den Brecht selbst leichtfertig für hohl versah) hohnsprechendes Rechtsinstitut: den "Privatbesitz an Produktionsmitteln".

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