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KAPITEL

1. Palästina/Israel - ein "Exilland"?
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2. Moshe Ya'akov Ben-Gavriêl
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3. Meir Marcell Faerber
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4. Simon Kronberg
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5. Max Brod
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6. Max Zweig
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7. Leo Perutz
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8. Anna Maria Jokl
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9. Elazar Benyoëtz
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10. Anhang
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Armin A. Wallas:
"Exilland" Palästina/Israel


In dem 1937/38 entstandenen Drama "Ehud", das durchaus als ein Gründungsmythos des im Aufbau befindlichen Staates Israel interpretiert werden könnte, greift Kronberg die Geschichte des biblischen Richters Ehud auf und konstruiert daraus eine Vision vom Kampf des Volkes Israel gegen Fremdherrschaft, zugleich aber vom Ringen um soziale Gerechtigkeit. Kronbergs Ehud ist kein strahlender Held, sondern ein Außenseiter, körperlich missgestaltet, von seinen Mitbürgern isoliert, erfüllt von Hass auf die Gesellschaft, die ihn ausschließt. Seine Anhänger findet er unter den Ausgestoßenen der Gesellschaft, Bettlern, Besitzlosen, Krüppeln, Entrechteten und Unterdrückten. Kronberg greift biblische Urbilder auf und verleiht ihnen eine zeitkritische Dimension - er sucht die subversive Kraft der biblischen Erzählung zu vergegenwärtigen, um so zu einer ideologischen Neuorientierung des zionistischen Projekts beizutragen. In der unmittelbaren Gegenwart spielt das 1942 entstandene Drama "Der Tod im Hafen". Angeregt wurde dieses Stück vom Untergang des Flüchtlingsschiffes "Patria" im Hafen von Haifa, auf das die Hagana im Jahre 1940 einen Bombenanschlag ausgeübt hatte, um gegen die Einwanderungsbeschränkungen der britischen Mandatsmacht zu protestieren; die Explosion richtete jedoch so großen Schaden an, dass das Schiff sank und mehr als 200 Menschen getötet wurden. Kronberg entwirft in diesem Drama ein umfassendes Sozialpanorama, das die soziale und ideologische Heterogenität der aus Hitler-Deutschland geflüchteten Juden widerspiegelt, die in Palästina Zuflucht suchten. Zudem formuliert er eine radikale Kritik an fremdenfeindlichen Strömungen innerhalb des Jischuw. Ein weiteres Drama - "Nittel" (Blinde Nacht), entstanden 1941 - thematisiert die Tragik und das Scheitern der Assimilationshoffnungen der Juden Europas sowie die Wirkungsmechanismen antisemitischer Agitation.

Aus Kronbergs lyrischen Texten ragt das Gedicht "Ein Jude" hervor, verfasst im März 1946 unter dem Eindruck der Nachrichten über die Vernichtung der europäischen Juden in der Shoah. Kronberg vergleicht das Judentum mit einem Baum, dessen Wurzeln im Himmel verankert sind und der somit als ein Symbol für den Zusammenhang der irdischen und jenseitigen Welt gedeutet werden könnte. Der Lyriker chiffriert seine Trauer über die Ermordeten im Bild des mythischen Weltenbaumes - als Symbol des Lebens, der Vitalität, der Fruchtbarkeit und der Unsterblichkeit -, dessen Erlösungskraft bis zu den Opfern der Shoah dringen soll - ein Bild, in dem sich seine leise Hoffnung ausdrückt, dass sich die Lebenskraft des Judentums stärker als Verfolgung und Vernichtung erweisen werde.

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