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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Zur Situation der Theaterschaffenden in Österreich nach dem "Anschluss" - Wege ins Exil
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3. Überblick
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4. Österreichisches Exiltheater in Großbritannien
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5. BBC
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6. Das österreichische Exiltheater in den USA
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7. Hollywood
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8. Anhang
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Ulrike Oedl:
Theater im Exil - Österreichisches Exiltheater


Das "Heurigen-Duo" Teller und Schlesinger bildete sich in New York erneut und bestand bis in die fünfziger Jahre hinein. Für die "Arche" arbeiteten eine Reihe namhafter Autoren, Komponisten und Darsteller wie Hugo F. Koenigsgarten, Viktor Schlesinger, Oscar Teller, Jimmy Berg, Fritz Spielmann, Kitty Mattern, Erna Trebitisch, Erich Juhn, Vilma Kürer, Gertrud Hill, Arthur Hoff, Ellen Schwanneke. (Budzinski 1985, 72) Die meisten kannten einander bereits seit ihrer Arbeit für die Wiener Kleinkunstbühnen. Ebenfalls aus Mitgliedern der Wiener Kleinkunstbühnen setzte sich die "Refugee Artists Group" zusammen. Sie fanden im Jewish Council, in Produzenten und anderen Persönlichkeiten des Broadways wie Irving Berlin, Harpo und Zeppo Marx Förderer und Unterstützung. Ein Theater und das nötige technische Personal wurden zu günstigsten Bedingungen zur Verfügung gestellt. Die Darsteller arbeiteten für eine Einheitsgage.

Mit etwaigen Gewinnen sollten mittellose Kollegen unterstützt werden. Gespielt wurde in englischer Sprache, ein Sprachlehrer versuchte den ärgsten Akzent der Mitwirkenden zu mildern. Initiator war der Schauspieler Herbert Berghof, ein gebürtiger Wiener, der 1933 aus Deutschland in seine Heimatstadt zurückkehren musste und u. a. als Regisseur und Schauspieler in der Kleinkunstszene tätig war. Berghof, der 1938 über die Schweiz (Auftritte am Zürcher Schauspielhaus) und Großbritannien 1939 in die USA geflohen war, gehörte zu den engagiertesten Mitwirkenden an kulturellen und politischen Veranstaltungen des Exils ("Österreichische Bühne", "Austrian Action", "Tribüne für freie Deutsche Literatur und Kunst in Amerika", Radioserie "We fight back" des "Aufbau"). Zugleich war er einer der wenigen in den USA erfolgreichen österreichischen Schauspieler. Außer Berghof wirkten u. a. der ehemalige Hausautor der "Literatur am Naschmarkt" Lothar Metzel, die Schauspieler Kitty Mattern, Elisabeth Neumann, Walter Engel, Harry Horner, Manfred Inger mit. Ihre erste Show feierte unter dem Titel "From Vienna" am 20. Juni 1939 Premiere. Die Mischung aus bereits in Wien bewährten Kabarettnummern mit aktuellen Sketches und Songs kam bei Presse und Publikum an und brachte es auf 79 Aufführungen. Noch erfolgreicher war die im Februar 1940 gestartete und stärker amerikanisierte Folgeshow "Reunion in New York" mit 89 Aufführungen. Kurze Zeit später brach die Truppe auseinander, unter anderem weil die jüngeren Männer zum Militär eingezogen wurden. (Marx/Trapp 1999, 415; Erzählte Geschichte, 218) Auch der 1890 in Prag geborene Kurt Robitschek eröffnete wie Teller sein Kabarett "Das Kabarett der Komiker" in New York neu.

Teller, Oscar zeigen
Exilkabarett in New York zeigen
Neumann-Viertel, Elisabeth zeigen
Die Tribune: Programmzettel zeigen

Seine Berufslaufbahn startete er in Wien, trat im "Simplicissimus" auf, schrieb Libretti und Schlagertexte (z. B. für Robert Stolz "Im Prater blühen wieder die Bäume"). 1924 ging er nach Berlin, wo er gemeinsam mit Paul Morgan und Max Hansen das "Kabarett der Komiker" gründete, bis 1933 das bekannteste politisch-literarische Kabarett der Weimarer Republik. Auch für ihn wurde Österreich zu seinem ersten Exilland, wo er versuchte, ähnliche Kabarettprogramme zu inszenieren. Über Paris und London, seinen nächsten Exilstationen, kam er 1937 in die USA, wo 1937 das "Kadeko" neu erstand. Bis 1949 gab es regelmäßige Programme, u. a. mit Karl Farkas, Hermann Leopoldi und Helli Möslein, Armin Berg, Oskar Karlweis, Hans Kolischer, Sonja Wronkow, Ilse und Curt Bois, Felix Gerstmann. Gespielt wurde im Pythian Theatre, eigentlich der Tempel einer Freimaurerloge, wo eher kleinere Shows ("Die Klabriaspartie", 1942) inszeniert wurden. Für größere Produktionen und Gala-Programme wich man in Ballsäle oder größere Theater aus, wie 1945 in die Carnegie Hall für die Gala "Nacht der Prominenten" anlässlich der 25. Jubiläumsspielzeit (u. a. mit Lilian Harvey, Oscar Karlweis, Karl Farkas). (Österreicher im Exil. USA, 419) Darüber hinaus organisierte er mit bekannten emigrierten Schauspielern erfolgreiche Tourneen durch amerikanische Städte, unter dem Namen Ken Robey produzierte er später Shows mit amerikanischen Stars.(Patka 2001, 80 f.)

Stolz, Robert zeigen
Stolz, Robert zeigen

Das erfolgreichste Genre waren jedoch Operetten. 1934 wurde das Center Theatre in New York mit "The Great Waltz" von Willner, Heinz Reichert, Ernst Marischka und der Musik von Johann Strauß eröffnet (298 Aufführungen). Auf 223 Aufführungen kam 1936 "The White Horse Inn" ("Im weißen Rößl"). Äußerst erfolgreich war 1942 "Rosalinda" ("Die Fledermaus") in der Bearbeitung von Max Reinhardt, inszeniert von seinem Sohn Gottfried Reinhardt und John Mehan jr; hier gab es 420 Aufführungen. (Marx/Trapp 1999, 399)

Der Einfluss deutschsprachiger Theaterleute auf das amerikanische Theater war vergleichsweise gering - der bereits erwähnte Max Reinhardt ist das wohl prominenteste Beispiel dafür. Zu erwähnen ist aber auch, dass - wie Henry Marx anmerkt (Marx/Trapp 1999, 399) - in den Jahren zwischen 1933 und 1945 an immerhin 150 Broadwayproduktionen deutschsprachige Theaterschaffende in irgendeiner Form, sei es als Schauspieler, Autor, Komponisten, Bühnenbildner usw., beteiligt waren. Kaum einem Schauspieler gelang es, nur vom Theater zu leben, in fast allen Fällen musste einem branchenfremden Brotberuf nachgegangen werden. Diese Situation beschreibt Fritz Kortner in seinem gemeinsam mit der amerikanischen Journalistin Dorothy Thompson verfassten Stück "Another Sun", in dem das Schicksal eines ehemals prominenten deutschen Schauspielers, der seinen kärglichen Lebensunterhalt mit der Imitation von Tierlauten im Rundfunk verdienen muss, im Mittelpunkt steht. Das Stück, das um Verständnis für das harte Schicksal der Exilanten werben wollte, erhielt bei seiner Uraufführung Ende Februar 1940 am Broadway katastrophale Kritiken.

Kortner, Fritz und Dorothy Thompson: "Another Sun" (1940, Broadway) zeigen
Kortner, Fritz zeigen

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