zurück zum Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

1. Einleitung
anzeigen

2. Zur Situation der Theaterschaffenden in Österreich nach dem "Anschluss" - Wege ins Exil
anzeigen

3. Überblick
anzeigen

4. Österreichisches Exiltheater in Großbritannien
anzeigen

5. BBC
anzeigen

6. Das österreichische Exiltheater in den USA
anzeigen

7. Hollywood
anzeigen

8. Anhang
anzeigen

 

Ulrike Oedl:
Theater im Exil - Österreichisches Exiltheater


Die Okkupation Österreichs durch die Nationalsozialisten bedeutete auch für das Theaterleben dieses Landes einen gravierenden Einschnitt. Quasi über Nacht verringerte sich die Zahl der Wiener Theaterbühnen von 24 auf 12 (3 wurden später wieder eröffnet), alle Kleinkunstbühnen wurden geschlossen. Das am 12.11. 1938 ausgesprochene Verbot, das "Nichtarieren" den Theaterbesuch untersagte, entzog den Theatern einen wichtigen Teil ihres Publikums. Die nach dem "Reichsbürgergesetz" von 1935 als "jüdisch" eingestuften Theaterschaffenden wurden innerhalb weniger Tage beurlaubt, mit Auftrittsverbot belegt, entlassen oder verhaftet. Dazu gehörten u. a. die Dramaturgen und Regisseure Heinrich Schnitzler, der Sohn Arthur Schnitzlers, und Friedrich Rosenthal, der Theaterleiter Ernst Lothar, die Schauspieler/inn/en Hans Jaray, Elisabeth Neumann, Peter Preses, Sybille Binder, Hans Wengraf, Fritz Blum, Fritz Strassny, Else Wohlgemuth, Karl Eidlitz, Martin Miller, Fritz Schrecker, Erika Wagner. (Roessler/Kaiser 1989, 9)

Schnitzler, Heinrich zeigen
Schnitzler, Arthur zeigen
Schnitzler, Arthur zeigen
Lothar, Ernst zeigen
Lothar, Ernst zeigen
Lothar, Ernst zeigen
Jaray, Hans zeigen
Neumann-Viertel, Elisabeth zeigen
Schrecker, Fritz zeigen

Die Reibungslosigkeit, mit der die Theater trotz des Verlustes so vieler bedeutender Kräfte fortgeführt wurden, ist auf den ersten Blick erstaunlich. Aber willfähriger Ersatz, wie der kurzzeitig als Burgtheaterdirektor dilettierende Schriftsteller Mirko Jelusich, stand bereit, die Neubesetzung wichtiger Posten war schon von Berlin aus vorbereitet worden. Die weitere Entwicklung des Theaters unter nationalsozialistischer Herrschaft mit all ihren Nutznießern und Propagandisten, interessiert hier weniger, im Folgenden stehen das Schicksal der vertriebenen und verfolgten Theaterschaffenden im Exil und deren Bemühen um ein Fortsetzen ihrer Theaterarbeit unter radikal veränderten Bedingungen im Zentrum. (Mittenzwei/Trapp 1999; Rathkolb 1991)

Jelusich, Mirko zeigen

Die Flucht 1938 bedeutete für viele nur eine Radikalisierung ihrer Situation, waren sie doch seit 1933 in Deutschland und ab 1934 auch in Österreich bereits von Verfolgung und Vertreibung bedroht. Für zahlreiche Theaterleute, die Deutschland 1933 verlassen mussten, wie Albert und Else Bassermann, wurde Österreich zum ersten Exilland. Viele in Deutschland erfolgreiche österreichische Künstler wie Max Reinhardt, Paul Morgan, Fritz Kortner oder Walter Firner mussten gezwungenermaßen in ihr Geburtsland zurückkehren. Obwohl Theaterschaffende im ständestaatlichen Österreich bereits mit hoher Arbeitslosigkeit, politischer Zensur und Antisemitismus konfrontiert waren, gab es zumindest für einige von ihnen die Möglichkeit oder die Hoffnung, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, so doch in einem heimatlichen Umfeld, in einer ihnen vertrauten Sprache zu spielen und zu arbeiten. Eigentlich boten den aus Deutschland Exilierten nur die Kleinkunstbühnen Arbeitsmöglichkeiten, im Gegensatz zu den unter austrofaschistischer Verwaltung stehenden Großbühnen wurde hier kein versteckter Arierparagraph praktiziert. (Haider-Pregler Trapp 1999; Roessler/Kaiser 1989, 13)

Bassermann, Albert zeigen
Bassermann, Else zeigen
Kortner, Fritz zeigen
Kortner, Fritz: Inszenierungen zeigen
Kortner, Fritz - Filmographie zeigen

Auch nach dem Einmarsch der Nazis konnten sich viele Theaterleute nicht oder nicht mehr rechtzeitig zur Flucht entschließen, zu stark war ihre auch emotionale Bindung an ihr gewohntes Umfeld, ihren Wirkungsbereich, zu groß die Angst vor dem Ungewissen. Manche hofften auch auf den Schutz durch die eigene Prominenz und Beliebtheit. Wie es das tragische Schicksal des Kabarettisten Fritz Grünbaum zeigt, der 1941 im KZ Dachau umkommen musste, schützte der Status des Publikumslieblings nicht vor Verfolgung und Vernichtung. Ein ähnliches Schicksal erlitt Fritz Grünbaums früherer Bühnenpartner Paul Morgan, ein in Deutschland äußerst erfolgreicher Schauspieler und Kabarettist, der nach der Machtübernahme der Nazis in seine Heimatstadt Wien zurückkehrte. Doch auch für ihn, der bereits in Hollywood als Filmschauspieler gearbeitet hatte, war es schwer, Engagements zu finden. Einer seiner größten Erfolge in Wien war sein Libretto zu Ralph Benatzkys erfolgreicher Operette "Axel an der Himmelstür", in der er selbst auftrat. Bereits am 22. März 1938 wurde er in seiner Wiener Wohnung durch die Gestapo verhaftet, am 10. Dezember desselben Jahres stirbt er im KZ Buchenwald an einer Lungenentzündung und den Folgen medizinischer "Experimente".

KZ Buchenwald zeigen
Grünbaum, Fritz zeigen
Grünbaum, Fritz zeigen
Grünbaum, Fritz zeigen
Benatzky, Ralph zeigen

Ebenfalls in Konzentrationslagern starben Jura Soyfer, Peter Hammerschlag, Franz Eugen Klein, der musikalische Leiter des "Lieben Augustin", Fritz Beda Löhner, der Autor des "Buchenwald-Liedes" (Musik: Hermann Leopoldi) und als Librettist von Franz Lehár und Autor populärer Schlagertexte ("Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?", "Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren") erfolgreich. Da die Verfolgung und Verhaftung unmittelbar mit dem "Anschluss" einsetzte, stand kaum Zeit für eine geplante Flucht zur Verfügung. In buchstäblich letzter Minute und mit viel Glück gelang etwa Karl Farkas, Carl Zuckmayer oder Ödön von Horváth die Flucht aus Österreich. Rudolf Beer, Gründer und Leiter des Wiener Scala Theaters und langjähriger Mitarbeiter Max Reinhardts, beging nach schweren Misshandlungen durch die SA ebenso Selbstmord wie der Schriftsteller und Schauspieler Egon Friedell.

Hammerschlag, Peter zeigen
Hammerschlag, Peter zeigen
Hammerschlag, Peter zeigen
Horváth, Ödön von zeigen
Soyfer, Jura zeigen

S. 2/17 vorherige Seite - nächste Seite

  

IMPRESSUM | 2002 © UNIVERSITÄT SALZBURG