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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Zur Situation der Theaterschaffenden in Österreich nach dem "Anschluss" - Wege ins Exil
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3. Überblick
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4. Österreichisches Exiltheater in Großbritannien
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5. BBC
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6. Das österreichische Exiltheater in den USA
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7. Hollywood
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8. Anhang
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Ulrike Oedl:
Theater im Exil - Österreichisches Exiltheater


Politisch brisant war die Gründung des "Laterndl" als "österreichische" Bühne angesichts der Tatsache, dass die Forderung nach der Wiederherstellung einer freien österreichischen Nation weder für alle Emigranten und noch weniger für die britische Regierung eine Selbstverständlichkeit war. Auf Unverständnis und Ablehnung stieß dieses Konzept bei den österreichischen Sozialdemokraten, ein "österreichisches" Theater passte nicht zu ihren politischen Vorstellungen, in denen ein unabhängiges Österreich noch keine Gestalt annahm. Schwierigkeiten mit der Zensur und das Problem bei der Beschaffung von Arbeitsbewilligungen für Schauspieler konnten mit der Organisationsform des Klubs umgangen werden. Daneben existierten allerdings noch eine Reihe von Schwierigkeiten, die sich negativ auf die künstlerische Arbeit des Theaters auswirken sollten. Ein relativ fixes Ensemble zu bilden erwies sich angesichts der Tatsache, dass für viele Emigranten London nur eine Zwischenstation darstellte, als Wunschtraum. Auch konnte das "Laterndl" keine Gagen bezahlen, die für den Lebensunterhalt ausgereicht hätten. Durch die so notwendige zusätzliche Berufstätigkeit der Schauspieler konnten die Proben erst abends beginnen, dauerten dafür aber bis in die Morgenstunden. Wirklich existenzbedrohend war jedoch die Zeit der Internierungen Exilierter als "enemy aliens" zwischen Mai 1940 und Ende 1941. Sie führte zur längsten Spielpause in der sechsjährigen Geschichte des "Laterndl", da ein Großteil der Schauspieler und des Publikums interniert waren. Die Eröffnung des "Laterndl" fand am 27. Juni 1939 mit der Revue "Unterwegs" statt. Mitwirkende: Martin Miller (der auch Regie führte), Rudolf Spitz (Autor), Franz Hartl, Jaro Klüger, Marianne Walla (Schauspieler). Wie sehr die österreichische Kleinkunstbewegung im Exil und eben auch im "Laterndl" fortlebte, beweist ein Blick auf Programm und Akteure des "Laterndl". Im Mittelpunkt standen bis 1942 die politisch-satirischen Kleinkunstrevuen, die aus einzelnen selbständigen Szenen, Blackouts, Gedichten und Liedern bestanden und deren Vorteil in ihrer Flexibilität lag, so dass man rasch auf die neuesten politischen Ereignisse reagieren konnte. "Blinklichter", "Von Adam bis Adolf", "No Orchids for Mr. Hitler", so die Titel einiger dieser Programme. Beliebt waren Parodien auf führende Vertreter des Nationalsozialismus (z. B. Martin Millers Persiflage auf Hitler) oder Szenen, die von den Gegensätzen zwischen militantem Preußentum und gemütlich-schlauen Österreichern lebten.

Miller, Martin: Persiflage auf Adolf Hitler zeigen
Laterndl: No Orchids for Mr. Hitler zeigen

Der subversive Witz des kleinen Mannes als Waffe gegen die Nazis, ein angesichts des Verhaltens der eigenen Landsleute wohl auch etwas schönfärberisches Klischee, fand seinen adäquaten Ausdruck in der von Franz Hartl/Bönsch geschaffenen Figur des Neidinger, der später Peter Preses und Ulrich Becher als Vorlage zum "Bockerer" diente.

Becher, Ulrich zeigen
Krieg und Theater (Jürgen Hein) zeigen

Ab 1942 verschob sich der Schwerpunkt weg von der Kleinkunst: Lustspiele mit Unterhaltungscharakter wechselten mit der Inszenierung österreichischer Dramen (Schnitzler, Anzengruber, Nestroy u. a.) ab. An der Tendenz zu anspruchslosen Komödien entzündete sich in der Exilpresse eine Debatte über die Funktion von Exiltheater: Das Bedürfnis nach Unterhaltung und Ablenkung in dieser schweren Zeit wird zwar nicht bestritten oder gering geschätzt, allerdings ist die Frage, wie das "Laterndl" damit seiner politischen Programmatik, mobilisierend im Kampf gegen den Faschismus zu wirken, gerecht werden kann, nicht von der Hand zu weisen. Einer der Autoren, um dessen Werk sich das "Laterndl" besonders verdient machte, war der 1939 im KZ Buchenwald an Typhus umgekommene Jura Soyfer. Unter dem Titel "Kleines Welttheater" spielte man im Jänner 1940 "Der Lechner Edi schaut in Paradies", "Vineta" und "Der treueste Bürger Bagdads".

Soyfer, Jura: Szene einer Aufführung aus "Vineta" zeigen
Soyfer, Jura zeigen

Eine wichtige Rolle in Bezug auf das Werk Jura Soyfers spielten auch die "Austrian Youth Players", eine aus der Jugendorganisation des AC, der "Young Austria", hervorgegangene Laienspielgruppe, die meist in englischer Sprache vor englischen Jugendlichen spielte. Der mit Jura Soyfer bereits aus Wien bekannte englische Schriftsteller John Lehmann übersetzte Soyfer ins Englische: "Vineta. A dramatic play". "Young Austria", allen voran ihr Generalsekretär Herbert Steiner, rief überdies zu einer Sammlung auf, um gesammelte Texte Soyfers herausgeben zu können, dieses Buch erschien aber erst 1947 in Wien. Herausgeber war Otto Tausig, der bereits in London als Leiter der "Austrian Youth Players" engagiert für Soyfers Werk eingetreten war. Von den vielen, die für das "Laterndl" arbeiteten, wären zu nennen: die Autoren Hugo F. Koenigsgarten, in Wien Autor für den "Lieben Augustin", seine Texte wurden auch im New Yorker Exilkabarett "Die Arche" aufgeführt; der Schriftsteller Albert Fuchs, Rudolf Spitz von der "Literatur am Naschmarkt", der Schauspieler und Regisseur Martin Miller, der frühere Musikbegleiter Karl Kraus' und spätere Musikwissenschaftler Georg Knepler, der Autor und Schauspieler Peter Preses.

Tausig, Otto zeigen
Literatur am Naschmarkt zeigen
Literatur am Naschmarkt zeigen
Karl, Kraus zeigen

In den sechs Jahren seines Bestehens, von 1939 bis 1945 wurden insgesamt 38 Programme geboten, das letzte war Karl Schönherrs "Weibsteufel". (Wipplinger 1984, 29-38) Der "Zeitspiegel" (Bolbecher/Kaiser/McLaughlin/Ritchie 1995, 370 f) , druckte am 25. August 1945 einen Brief der "Laterndl"-Mitarbeiter an den damaligen Staatsekretär für Unterricht und Volksaufklärung, Ernst Fischer ab, in dem diese ihre Hoffnung an eine baldige Heimkehr und ihre Bereitschaft zum kulturellen Wiederaufbau ihrer Heimat ausdrückten.

Schönherr, Karl zeigen
Schönherr, Karl zeigen
Schönherr, Karl zeigen

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