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KAPITEL

1. Biographie: Raoul Hausmann - der Dadasoph
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2. Hausmann und seine Zeit
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3. Dadü Dada!
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4. Manifeste
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5. Der neue Mensch
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6. Hausmann im Exil
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7. Die wichtigsten Buchprojekte
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8. Optophonetische Poesie
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9. Photographie
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10. Der größte Tänzer aller Zeiten
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11. Satire
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12. Anhang
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Gabriele Frankl:
Raoul Hausmann (1886-1971)


Als Gegenstück zur patriarchalischen Familienform propagierte Hausmann das Mutterrecht, welches ihmzufolge keine dieser Probleme und Komplexe verursachte und nebenbei den Vater von jeder Verantwortung für "Erziehung und Ernährung der Geburt" (Hausmann 1919, In: Erlhoff 1982, Texte1, 38. "Der Besitzbegriff in der Familie und das Recht auf den eigenen Körper") entlastete. Dies tat er umso überzeugter, als er "die größte Ausweitung und Erfassung aller Erlebensbezirke" (Hausmann 1919, In: Erlhoff 1982, Texte1, 77. "Schnitt durch die Zeit") der Frau auf die Mutterschaft zurückführte. Um diese der Frau ungehindert zu ermöglichen, verlangte er die "Aufhebung der Moralvorschriften, die ihr die Sexualbeziehungen außer der Ehe verbieten" (Hausmann 1919, In: Erlhoff 1982, Texte1, 38. "Der Besitzbegriff in der Familie und das Recht auf den eigenen Körper").

Nichts ist praktischer als eine gute Theorie, die Hausmann in zahlreichen Beziehungen umzusetzen versuchte. Die Übertragung auf das eigene Liebesleben funktionierte jedoch kaum und wenn, nur zeitlich begrenzt. Besonders für die Frauen war die Situation zwischen der Auflösung einer monogamen Lebensgemeinschaft, verbunden mit dem Verzicht auf die dort gewährten Sicherheiten, und der sich nicht einfinden wollenden Harmonie der Lebensführung des neuen Menschen schwer zu ertragen. Dass die Frauen seinen Glauben an das Leben zu dritt nicht immer teilten, schien Hausmann nicht zu interessieren, vielmehr versuchte er, ihnen seine Überzeugungen doktrinär aufzuzwingen. Nachdem er alles Fremde in sich überwunden meinte, fühlte er sich dazu ausersehen, auch das Fremde in seinen Lebensgefährtinnen zu zerstören. Damit führte er durch die Hintertür die verbannten männlichen Machtansprüche wieder ein, unbekümmert um die entstehenden Widersprüche, die Hausmann neben Fehlern als Teil des neuen Menschen anerkannte:

"Gegen den Menschen muss endlich etwas geschehen. Nicht [...] mehr den Menschen göttlich träumen, während er nichts göttliches ist - wir brauchen den Menschen, der sich endlich real nimmt, Eingeweide, Exkremente, Hunger, Sexualität, Bosheit und Besitzgier anerkennt, als Tatsache, die ihm keine Furcht einjagt, die zu verdecken er keine Moral erlügen muss!" (Hausmann 1921/22. In: Züchner 1998, 117)

Vielleicht um sich unbewusst gegen spätere Angriffe zu wappnen, legte Hausmann schon 1920 fest:

"Was ist der Mensch? Eine bald lustige, bald traurige Angelegenheit, die von ihrer Produktion, von ihrem Milieu gespielt und gesunden wird. Sehen Sie, Sie glauben zu denken und Beschlüsse zu fassen, Sie glauben original zu sein - und was geschieht? Das Milieu, Ihre etwas staubige Atmosphäre hat den Seelenmotor angeworfen und die Sache läuft von allein: Mord, Ehebruch, Krieg, Frieden, Tod, Schiebung, Valuta - alles entglitt Ihren Händen, es ist Ihnen unmöglich, etwas aufzuhalten: Sie werden einfach gespielt." (Hausmann 1920, In: Erlhoff 1982, Texte1, 94. "Was will der Dadaismus in Europa?")

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