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KAPITEL

1. Biographie: Raoul Hausmann - der Dadasoph
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2. Hausmann und seine Zeit
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3. Dadü Dada!
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4. Manifeste
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5. Der neue Mensch
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6. Hausmann im Exil
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7. Die wichtigsten Buchprojekte
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8. Optophonetische Poesie
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9. Photographie
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10. Der größte Tänzer aller Zeiten
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11. Satire
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12. Anhang
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Gabriele Frankl:
Raoul Hausmann (1886-1971)


Der Sinn von "Hyle" bestand nicht nur darin "einer Zeitgenossenschaft, deren Erlebnisfähigkeit und Impotenz zum verlogenen Tempo einer nicht vorhandenen Arbeits- oder Sportwelt schielt", entgegenzutreten (Hausmann 1931, In: Erlhoff 1982, Texte 2, 217), sondern insbesondere in einer Ver- und Bearbeitung des für Hausmann so zentralen Mann-Frau Komplexes.

"Ich wollte vermitteln, wie für einen durch alle Zusammenbrüche, Einsamkeiten und Zwiespälte gegangenen Mann die Welt über und durch die Frau zum elementaren Erlebnis wird, das nach einer neuen Kollektivität, einer neuen sozialen Struktur, auch einer innerdimensional anderen Bindung, als der heutigen Familie, drängt." (Hausmann 1931, In: Erlhoff 1982, Texte 2, 217).

"Leer zu sein, und ausgefüllt zu werden" (Hausmann 1969, "Hyle", 90), darin bestand für Hausmann das Wesen der Frau. Anderererseits zielten die bislang vor allem gegen die Expressionisten gerichteten Zweifel gegenüber bestimmten intellektuellen Leistungen nun auf das männliche Geschlecht insgesamt: "Mann, hast schon gelernt, bis DREI zu zählen?" (Hausmann 1969, "Hyle", 90) Dass Hausmann bis drei zählen konnte, ist anzunehmen, hätte er doch sonst den Überblick über sein Privatleben und den Inhalt von Hyle verloren:

"Drei Personen kamen auf einem Schiff an. Drei Personen fuhren getrennt auf zwei Schiffen fort. Die erste Person spielte die Hauptperson, die anderen Personen waren nur Nebenpersonen. Die Nebenpersonen versuchen, jede eine Hauptperson zu spielen. Hauptpersonen sind wenig erträglich. Die Nebenpersonen übernehmen unerträgliche Rollen. Die Hauptrolle ist die Nebenrolle. Wenn man weiß, was eine Rolle ist. Jeder spielt jede Rolle. Er weiß nicht welche Rolle er spielen wird, soll oder muß." (Raoul Hausmann: 'Hyle'. 1969, 139)

Hausmann, Raoul: I named my book: Hyla zeigen

Die stilistischen Merkmale von "Hyle" zeigen sich auch im weniger umfangreichen "Umbruch", das 1997 erschien - die vier Textvarianten erstrecken sich über 51 bis 70 (Manuskript-)Blätter, Wort- und Reimakrobatik, Gedichte, Zitate bekannter Redeweisen und Einbeziehung wissenschaftlicher Auseinandersetzungen sind ebenso zu finden wie bereits in "Hyle" integrierte Volksliedpassagen oder Sprichwörter, die sogar um biblische Anspielungen ergänzt werden. Inhaltlich dominiert die Schilderung einer "Reise nach Fortort von Hierda". Wie bei "Hyle" liegt der Reisebeschreibung ein konkreter biographischer Sachverhalt zugrunde - eine einwöchige Autofahrt Anfang der 60er Jahre nach Mailand zur Hausmann gewidmeten Personale in der Galerie Pagani. Gemeinsam mit dem Chauffeur Robert Michaux und dessen Ehefrau Andree, seiner Ehefrau Hedwig und der Geliebten Marthe, legte Hausmann, das "hyletische Vergehen" der "Objekte" durchs Fenster wie einen "flüchtigen Film" beobachtend, dabei 2550 Kilometer zurück: "Fahren, fuhr, gefahren. Rollen, rollte, gerollt. Rollenrollenrollenrollenrollenrollenrollen." (Hausmann, "Umbruch", In: Koch 1997, 48)

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