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KAPITEL

1. Biographie: Raoul Hausmann - der Dadasoph
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2. Hausmann und seine Zeit
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3. Dadü Dada!
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4. Manifeste
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5. Der neue Mensch
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6. Hausmann im Exil
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7. Die wichtigsten Buchprojekte
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8. Optophonetische Poesie
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9. Photographie
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10. Der größte Tänzer aller Zeiten
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11. Satire
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12. Anhang
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Gabriele Frankl:
Raoul Hausmann (1886-1971)


Die Befreiung der "Kunst" von der "Künstlichkeit" bedeutete für Hausmann, auch der menschlichen Lautäußerung ihre Natürlichkeit und Ursprünglichkeit wiederzugeben. Die metrisch strengen Verse der Klassik verspottend, schuf Hausmann ab 1918 Lautgedichte fernab jeglicher traditionellen Strukturierung. Als verbindendes Kriterium diente lediglich die Zugehörigkeit zum lateinischen Alphabet. Die so entstandenen lettristisch-optophonetischen Gedichte, Hausmann nannte sie Seelenautomobile, wie beispielsweise "kp'erioum" oder das spätere Cauchemar, präsentierten immer neue Interpretationsversuche für die Buchstaben, sodass die menschliche Ausdrucksmöglichkeit nicht nur erweitert, sondern um eine kreatürliche Komponente angereichert wurde. Dass er mit dieser Art von Versuchen keineswegs Pionierarbeit leistete, hält Hausmann in "Am Anfang war Dada" fest, indem er die "Geschichte des Lautgedichts" mit der Untergliederung in drei Tendenzen beginnt:

"Die Erste betrifft das Finden durch Zufall oder fortschreitende Entwicklung. Die Zweite stellt Schöpfung einer neuen Art Dichtung vor und beruht auf Überzeugung und Theorie. Die Dritte ist die Anwendung der beiden ersten Kategorien mit pragmatischem Ziel, durch Nachahmung." (Hausmann: 'Am Anfang war Dada', 35. "Zur Geschichte des Lautgedichtes")

Beginnend bei Scheerbarts "Kikakoku!" von 1897 und Morgensterns "Großes Lalula" von 1905, beide Vertreter der ersten Rubrik, vollzieht sich nach Hausmann die Geschichte des Lautgedichtes über die Schweiz und Deutschland - also die Dadaisten - bis zu den "drittplazierten" Imitatoren Doesburg, Seuphor und Bryen. Über die Beeinflussung der Dadaisten durch die russischen Zaoum-Dichter und deren "Laboratorium für die Befreiung der Sprache", das "jeden semantischen oder semiotischen Inhalt" (Hausmann: "Am Anfang war Dada", 38. "Zur Geschichte des Lautgedichtes") bereits 1913 ausmerzen sollte, scheint sich Hausmann selbst nicht im Klaren zu sein, betonte er doch zum einen Unkenntnis und Unabhängigkeit, und erwähnte zum anderen das Wissen Kandinskys um die russischen Forschungen und den durch ihn veranlassten Vortrag der Phoneme Khlebnikovs 1916 im Cabaret Voltaire in Zürich.

Von dieser Rezitation sieht Hausmann Hugo Ball beeinflusst, dem er selbst wiederum einen entscheidenden Anteil an der "wirklichen okzidentalen Phonie" zuschreibt. Er verneint jedoch jegliche Kenntnis über Balls Versuche zum Entstehungszeitpunkt seiner eigenen Lautgedichte. Eine Anregung Hausmanns durch Scheerbart und Morgenstern, durch Khlebnivkov, durch die Anti-Töne des Italieners Russolo und durch Kandinsky, dem durch seine eigenen phonetischen Gedichte mehr als eine nur übermittelnde Rolle zukommt, ist sehr wahrscheinlich, zumal Kandinsky 1912 im "Blauen Reiter" "eine vollkommene Beschreibung der Konzeption von Gedichten ohne jeglichen semantischen Sinn, also rein phonetisch" veröffentlichte (Hausmann: "Am Anfang war Dada", 44. "Zur Geschichte des Lautgedichtes").

Kandinsky, Wassily zeigen

Auf diese zahlreichen Ansätzen produktiv reagierend, findet das Hausmannsche Credo seine Individualität im Plakatgedicht:

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