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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Erich Fried und Hans Schmeier im britischen Exil
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3. Identitäten
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4. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Erich Fried (1921-1988) und Hans Schmeier (1925-1943)


Das Bestreben, "die jungen, fast ausschließlich jüdischen Flüchtlinge zu nationalbewußten Österreichern zu erziehen" (H. Maimann 1987, 20), wurde untermauert mit dem Stolz auf eine bereits fertig herausgebildete große österreichische Kultur. So bekannte der hochintelligente Hans-Kelsen-Schüler und philosophisch von Franz Brentano und Edmund Husserl geprägte Albert Fuchs in seinem Referat bei der "I. Österreichischen Kulturkonferenz" (London 1942): "Ich erkannte, daß unsere arme Republik, so wenig Raum sie auf der Landkarte bedeckte, doch Sitz und Stimme hatte unter den Großmächten des Geistes." (A. Fuchs: Über österreichische Kultur. Vortrag, gehalten auf der Konferenz des PEN, London 1942. London: Austrian Centre o. J., 1)

Kelsen, Hans zeigen
Brentano, Franz zeigen
Husserl, Edmund zeigen
Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in einem Londoner Bahnhof zeigen

Die jungen Flüchtlinge hatten aber auch den österreichischen Ungeist und die Ohnmacht des Geistes erfahren, Zeugen der Ereignisse des März 1938, die sie zumeist waren. Was sie jedoch einschränkte und bedrückte, war eine von dem Young Austria-Funktionär Jenö Kostmann (der hier übrigens nicht deshalb genannt wird, weil er besonders starr und dogmatisch gewesen wäre, sondern nur darum, weil er damals verbreiteten Gedanken Ausdruck verlieh) im Hinblick auf eine Kulturkonferenz der Jugendorganisation im August 1942 aus dem Vorhandensein einer großen österreichischen Kultur gezogene Schlussfolgerung: "Aufgabe der Österreicher in der Emigration" sei es, das "österreichische Kulturerbe zu erhalten, zu verteidigen und zu propagieren", was in Zeiten der "Fremdherrschaft", in denen der "Geist des Widerstandes" aus dem "Schatz nationaler Kultur" seine "Nahrung schöpft", von "entscheidender Bedeutung" sei. (J. Kostmann: Österreichische Kulturarbeit - eine Kampfaufgabe. In: Zeitspiegel (London) No. 22, 30.5. 1942, 8.)

Damit aber war der Emigration eine vor allem konservierende und tradierende Kulturaufgabe vorgeschrieben - wogegen unter anderen Erich Frieds Freund, der Maler Franz Pixner, in einem Leserbrief protestierte: "Die Erhaltung des österreichischen Kulturerbes kann nur ein Teil unserer Aufgaben sein. Der lebendigste Ausdruck der geistigen Verfassung eines Volkes liegt in der Schöpfung der lebendigen Generation, die das angetretene Erbe im Sinne ihrer Zeit bereichern und weiterentwickeln muss; diese Weiterentwicklung ist in der Heimat unterbunden, während sie in der Emigration - wenn auch in beschränktem Ausmaß - offen steht." (In: Zeitspiegel No. 29, 18.7. 1942, 8) Bei der Kulturkonferenz im August selbst kam es zu einem kleinen "Krach". Der Maler Ernst Eisenmayer, damals Fabrikarbeiter in London, erinnert sich: "Während der straff organisierten Diskussion sagte ich, vielleicht zu sehr aus dem Ärger heraus, dass man zur Kultur auch den Beitrag lebender und junger Künstler brauche und man sie nicht davon abhalten sollte, etwas zu sagen. Was einen Krach nach sich zog." Man drohte ihm sogar, ihn aus dem "Young Austria" hinauszuwerfen. (E. Eisenmayer: Erinnerungen an Erich Fried, 1938-1988, 1995, 19) Und auch Erich Fried und Hans Schmeier sahen sich in dieser Zeit offenbar vor die Alternative gestellt, entweder ihre Kaderpflichten zu erfüllen oder an ihrer Weiterbildung zu Schriftstellern zu arbeiten. Der Gedankengang Pixners hat eine Parallele in dem Vierzeiler Schmeiers:

Lernet verweben das War in das Werde, dann wird euch die Erde wahrhaft gegeben.

Erich Fried, der vielleicht die rein politische Seite des Konflikts zu sehr betont, hat wiederholt erwähnt, dass er Hans Schmeiers Zweifel geteilt und ebenso unterdrückt hat: "Jedenfalls aus seinen Papieren, aus seinen Aufzeichnungen habe ich damals gesehen, daß er dieselben Bedenken hatte gegen die Partei wie ich, nur hat er es nicht gesagt, um mich nicht zu belasten, genauso wie ich es nicht gesagt habe, um ihn nicht zu belasten. Nach seinem ersten Selbstmordversuch war ich mit ihm drei Wochen lang Tag und Nacht zusammen, um zu verhindern daß er wieder so etwas macht. Aber da ich nicht auf die Ursachen eingegangen bin, was eigentlich dahinter war, so war das eigentlich vergeudete Mühe und war saublöd von mir." (K. Kaiser: Gespräch mit Erich Fried, 90)

Kaiser, Konstantin: Erinnerungen an ein Interview mit Erich Fried zeigen

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