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KAPITEL

1. Die literarische Bedeutung Berthold Viertels
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2. Jüdische Herkunft
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3. Jugendlicher Ausbruchsversuch und Rückkehr
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4. Berthold Viertel und Karl Kraus
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5. Republikanismus, Weimarer Republik
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6. Theaterkonzeption, Kultur und Zivilisation, Rotes Wien
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7. Berthold Viertel und der Sozialismus
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8. Die Stellung zur Österreich-Frage
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9. Literarische Strategien
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10. Das Verhältnis zum Exil
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11. Die Stellung innerhalb des deutschsprachigen Exils in den USA
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12. Die Nachkriegssituation
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13. Der "Reichskanzleistil"
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14. Die spätere Theaterauffassung
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15. Zur Rezeption des literarischen Werks
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16. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Berthold Viertel (1885-1953)


Das Große an diesem Autor ist die intellektuelle Energie, die mitreißende Bewegung, die durch seine Schriften geht, ein Strom von Vorstellungen, Plänen, Bildern, Gedanken, der alles Werkhaft-Abgeschlossene unterspült, ehe es aufgerichtet ist, der die Grenzen zwischen den Gattungen missachtet und gerade am Fragmentarischen das Element seiner Beweglichkeit und behenden Selbstdarstellung findet. Man mag in jedem einzelnen seiner Essays, autobiographischen Fragmente und Gedichte Gültiges konstatiert finden, entscheidend bleibt der Prozess, den sie in ihrer Abfolge, vor- und zurückgreifend, in Diastole und Systole, vollziehen. Viertel selbst hat das Fragmentarische seines Lebenswerks zugleich beklagt und als historisch unvermeidlich erkannt:

Viertel, Berthold zeigen
Viertel, Berthold zeigen
Viertel, Berthold am Schreibtisch zeigen

"Meine Arbeit hatte bereits im Triebsand zerbröckelnder Verhältnisse begonnen. Sie blieb provisorisch und auf Abruf getan. Kein größeres Werk gelang mir. Keine geschlossene Abfolge meines Wirkens, auch nicht einmal der bleibende Ansatz einer Tradition, welcher die mehr als sieben mageren Jahre überwintern konnte. (...) Freund der Tapferen und der Geschlagenen, Lehrer ohne Schule, habe ich manche auf den Weg gebracht, den ich selbst nur gegen überwältigende Hindernisse strauchelnd und in die Irre gehen sollte." (Manuskript im Nachlass, datiert 28.11. 1950, zitiert nach: Kindheit eines Cherub, 211)

Viertel war von einem durchgehenden Zweifel an der Plausibilität und Authentizität des Erlebten, an der Gediegenheit und Wahrhaftigkeit des einmal geprägten Wortes getrieben. Das Fragmentarische, das Schreiben in immer wiederholten Anläufen dokumentiert das Aufbegehren gegen die zunächst übermächtige historische Legende, das zum Gegensatz verfestigte mit sich Identische, zugleich stellt es aber auch den Versuch dar, aus den Brüchen der Entwicklung die Möglichkeit der Person aufblitzen zu lassen, sie in der Reflexion zu retten. Seine Schriften dokumentieren eine verloren gegangene Stufe der Emanzipation: eine befreiende Weiterführung der Wiener Moderne durch die Auseinandersetzung mit dem Faschismus hindurch.

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