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KAPITEL

1. Die literarische Bedeutung Berthold Viertels
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2. Jüdische Herkunft
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3. Jugendlicher Ausbruchsversuch und Rückkehr
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4. Berthold Viertel und Karl Kraus
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5. Republikanismus, Weimarer Republik
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6. Theaterkonzeption, Kultur und Zivilisation, Rotes Wien
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7. Berthold Viertel und der Sozialismus
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8. Die Stellung zur Österreich-Frage
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9. Literarische Strategien
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10. Das Verhältnis zum Exil
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11. Die Stellung innerhalb des deutschsprachigen Exils in den USA
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12. Die Nachkriegssituation
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13. Der "Reichskanzleistil"
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14. Die spätere Theaterauffassung
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15. Zur Rezeption des literarischen Werks
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16. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Berthold Viertel (1885-1953)


Die Besonderheiten Viertels brachten auch mit sich, dass er innerhalb des deutschsprachigen Exils in England und in den USA eine nicht unerhebliche Mittlerrolle spielen konnte. Durch die Filmarbeit in Hollywood und London war er nicht nur mit der englischen Sprache vertraut - er hatte gute Kenntnisse der Kultur des Exillandes und war mit vielen englischen und amerikanischen Künstlerinnen und Künstlern auch persönlich bekannt: mit Charlie Chaplin und Greta Garbo, Upton Sinclair und Dorothy Thompson, Sinclair Lewis und Arthus Miller, Harold Clurman und Charles Laughton. Er nützte diese Kontakte unter anderem dazu, um - in manchen Fällen vergeblich - die Emigration von in Europa Bedrohten in die USA zu betreiben. Salka Viertel, von der er sich 1932 getrennt hatte, ohne die enge freundschaftliche Bindung aufzugeben, hat auf diesem Gebiet die wichtigere Rolle gespielt.

Durch seine Herkunft und seinen beruflichen Werdegang zählte Berthold Viertel gleichermaßen zum österreichischen und zum deutschen Exil und verstand es, die gemeinsamen kulturellen Interessen wahrzunehmen, ohne sich über die Unterschiede einfach hinwegzusetzen. In den USA stellte er durch sein häufiges Pendeln zwischen New York und Kalifornien Verbindungen zwischen den Emigrationen der West- und der Ostküste her - die aufgrund der räumlichen Entfernung und der anders gearteten Lebensbedingungen von der Exilliteraturforschung heute wie zwei verschiedene Exilländer behandelt werden.

"Sein Herz war", wie Ernst Fischer sagte, "links, wohin es gehört", doch blieb er für Liberal-Konservative ebenso ein Gesprächspartner wie für Sozialisten und Kommunisten. Eine scharfe Trennungslinie zog er nur zu den österreichischen Monarchisten und den Austrofaschisten, die noch im Exil vom Habsburgerreich bzw. vom "Christlichen Ständestaat" träumten.

Es nimmt daher nicht wunder, dass er an etlichen Initiativen des Exils, sich kulturell und politisch zusammenzuschließen, maßgeblich beteiligt war. Er gehörte - zusammen mit Johannes R. Becher, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Oskar Kokoschka, Heinrich Mann und Stefan Zweig - dem Präsidium des im Dezember 1938 in London gegründeten "Freien Deutschen Kulturbundes" an und war nach Kokoschka das wohl aktivste Präsidiumsmitglied. Gleichzeitig vertrat er die "englische Sektion" der in Paris gegründeten "Ligue pour l'Autriche vivante". In den USA schloss er sich zunächst der German-American Writers Association an (Ehrenpräsident Thomas Mann, Präsident Oskar Maria Graf), deren Selbstauflösung im Sommer 1940 eine Konsequenz der durch den Hitler-Stalin-Pakt ausgelösten (doch nicht verursachten) Krise der Exilpolitik war.

Im Herbst 1941 stand Viertel als ein Proponent für die in New York tätige "Tribüne für Freie Deutsche Kunst und Literatur in Amerika" ein, die ihn wiederholt zu Lesungen seiner Gedichte und zu den - oben bereits genannten - Inszenierungen heranzog. 1944 fungierte er mit Ernst Bloch, Brecht, Ferdinand Bruckner, Alfred Döblin, Feuchtwanger, Wieland Herzfelde, Heinrich Mann, Ernst Waldinger und F.C. Weiskopf als Gründer des "Aurora Verlages", in dem 1946 sein Gedichtband "Der Lebenslauf" erschien. Im selben Jahr findet sich sein Name auch unter den Unterzeichnern des Aufrufs des von Paul Tillich initiierten "Council for a Democratic Germany". Dazwischen erwog er mit Klaus Mann weitere Projekte, traf sich häufig mit ihm und Isherwood, um die allgemeine Lage und die Perspektiven der Exil-Kultur zu diskutieren, wie im Tagebuch von K. Mann verzeichnet ist.

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