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KAPITEL

1. Joseph Roth - Romancier und Journalist
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2. Das Fragment Emigration
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3. "[...] da Gott die Juden vor Sünde bewahrt hat und da Er ihnen Glück durch Unglück beschert"
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4. Anhang
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Markus Kreuzwieser:
Davidstern und Kreuz. Joseph Roths ungewöhnliches Fragment Emigration (1937)


Roth erhebt gegenüber "der politischen Vertretung der kath.[olischen] Kirche den Vorwurf", sie hätte "diese Verkettungen nicht rechtzeitig" erkannt. Allerdings bedeute dies nicht, dass er "die Autorität der Kirche" angreife, indem er "ihr einen der vielen politischen Fehler" nachweise, "den sie im Lauf der Jahrhunderte begangen hat, ohne an ihrem Wesen Schaden zu nehmen; denn sie wird Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhundert ebenso überdauern, wie sie die spanische Inquisition überlebt hat, deren Feindin sie auch gewesen ist." (Joseph Roth 3, 758)

VI. Joseph Roth meint, dies deshalb betonen zu müssen, weil der "deutsch-heidnische Antisemitismus von heute" häufig mit der "spanische[n] Inquisition" verglichen werde und man aufgrund von Unkenntnis der "Divergenzen", "die zwischen Spanien und Rom" bestanden hätten, geneigt sei, Rom, das "geradezu ein Opfer der Inquisition gewesen" sei, für diese verantwortlich zu machen. Nun bestünde die Gefahr, "in der neuheidnischen Judenvertreibung" nichts anderes sehen zu können als den Antisemitismus der 'Christen' schlechthin; wozu viele Juden neigen." Der "Antisemitismus der Inquisition" sei "ein religiöses, ein metaphysisches Mißverständnis" gewesen, der Antisemitismus des "deutschen Barbarismus" aber sei "die logische Folge eines heidnischen Rationalismus." Die "heutigen Deutschen" würden "die Juden nicht deshalb hassen, weil sie Jesus Christus gekreuzigt haben, sondern weil sie ihn hervorgebracht haben."

VII. Obwohl die "deutsch-katholische Emigration", so meint Roth, "an Zahl weitaus geringer als die deutsch-jüdische" sei, erscheine ihm diese "in ihrer Bedeutung weitaus charakteristischer." Denn nach Roth träfe "der Neuheide" erst "im Katholiken [...] jenes Ziel, das er zuerst mit seinem Antisemitismus visiert hatte." "Der Christ - als Bekenner und Träger des Kreuzes - war gemeint, als Rosenberg anfing, den jüdischen Gemischtwarenhändler zu boykottieren;" und für den Barbaren [...] war es selbstverständlich, die antisemitischen Instinkte der Ahnungslosen in den Dienst seiner antichristlichen Tendenzen zu stellen.

"Heute", so meint Roth, stünden "an den Wänden der Kirchen jene Inschriften", die "vormals an den Wänden der Synagogen gestanden hatten", "beinahe" wären "die Synagogen über den Kirchen vergessen", und "die Sieben Weisen von Zion [wurden] in den Augen des Neuheiden weniger gefährlich [...] als der Heilige Vater in Rom." Denn als die Nationalsozialisten "die Klagemauer in Jerusalem zu bespucken" begonnen hätten, da wäre die "Peterskirche, mit der sie ein verlogenes 'Konkordat' geschlossen haben", gemeint gewesen. Aus diesen Gründen seien "die katholischen Emigranten [...]" charakteristischer für die Emigration als die jüdischen, denn die "Rosenbergs fürchten nicht die zionistischen Weltkongresse, nicht die Sieben Weisen von Zion, nicht den zerstörten Tempel von Jerusalem: Sie fürchten den unzerstörbaren: das Evangelium."

VIII. Im achten Abschnitt legt Roth seine Ansichten zu Rolle und Situation des deutschen Protestantismus dar. "Der Antisemitismus" sei eine "selbstverständliche Tradition" gewesen, beinahe ebenso "der Kampf gegen die katholische Kirche". "Wer hätte denken können, daß der Nationalsozialismus auch das Luthertum angreifen würde?"

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