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KAPITEL

1. Ein Klassiker der Moderne
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2. "Prägungen"
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3. Grundlageninformationen
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4. Die Figur des Zacharias in "Methodisch konstruiert"
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5. Literarischer Text und soziologische Studie
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6. Anhang
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Markus Kreuzwieser:
Der "Weg vom Schäbigen ins Ewige". Zu Hermann Brochs "Methodisch konstruiert"


In Thomas Bernhards (1931-1989) Roman "Auslöschung" (1986) trägt der im römischen Exil (!) lebende Privatgelehrte Franz-Josef Murau seinem Schüler Gambetti auf, fünf Bücher der deutschen bzw. österreichischen Literatur "auf das aufmerksamste [...] zu studieren". (Thomas Bernhard, 7f.) In der Lektüreliste findet sich neben Robert Musils (1880-1942) Erzählung "Die Portugiesin" (1923) auch der Text "Esch oder Die Anarchie" (1931) aus der Roman-Trilogie "Die Schlafwandler" (1932) des österreichischen Dichterphilosophen Hermann Broch (1886-1951).

Broch, Hermann: Zeittafel zeigen

Auch wenn es sich hier bei Bernhard möglicherweise um eine seiner spezifischen poetischen Methoden, nämliche der des "name-droppings" gehandelt haben mag, ist Hermann Brochs Erwähnung bemerkenswert, da der Dichter, auch ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode, auch in seiner Heimat Österreich noch immer nicht zu den bekannteren Dichtern zählt und noch immer im Schatten seines Zeitgenossen Robert Musils (vgl. unser Porträt zu Robert Musil) steht, mit dem ihn ein komplexes, nicht unproblematisches Verhältnis verbindet.

Als im Erscheinungsjahr von Bernhards Roman "Auslöschung", 1986, aus Anlass des 100. Geburtstages Hermann Brochs des Dichters gedacht wurde, hieß es im Nachrichten-Magazin "Der Spiegel" lapidar, dass Hermann Broch wohl der "klassischste aller Klassiker der Moderne" sei - "vielzitiert, kaum gelesen. Von den großen Gestalten der Literaturgeschichte, wie Kafka und Proust, wie Joyce und Musil und [...] Thomas Mann, ist er, bis heute, der unbekannteste geblieben." (nach Manfred Durzak 2001, 7).

Manfred Durzak sieht in diesen Bemerkungen keine kulturjournalistische Stereotypen, sondern vielmehr eine "Leitmelodie, die die Wirkungsgeschichte dieses Autors im Hintergrund immerzu begleitet hat." (Durzak 2001, 7) 1951 etwa, ein Jahr vor Brochs Tod, wurde dieser von Kollegen für den Nobelpreis vorgeschlagen. Als das Komitee in Stockholm auch von der Akademie der Wissenschaften in Wien Information und Bewertung erbat, soll - "nach einer glaubhaften Legende" - die Antwort gelautet haben, "daß ein Dichter mit dem Namen Hermann Broch in Wien unbekannt sei." (Paul Michael Lützeler 1986, 7)

Als dreißig Jahre später, 1981, Elias Canetti (1905-1994), ein ebenfalls lange wenig beachteter österreichischer Exilant, den Nobelpreis für Literatur zugesprochen erhielt, führte dieser in seiner Dankesrede aus, dass er den Preis sozusagen stellvertretend für die (allesamt aus dem österreichischen Kulturkreis stammenden) Dichter Karl Kraus, Franz Kafka, Robert Musil und Hermann Broch entgegennehme, die ihn, jeder auf seine Weise, beeinflusst hätten. Der Broch-Biograph, Broch-Forscher und Herausgeber der "Kommentierten Werkausgabe" Paul Michael Lützeler meint, dass dies mehr als eine "noble Geste" sei, denn es handle sich um die Referenz vor Autoren, die zu ihren Lebzeiten nicht jene Anerkennung (dies gilt zumindest für Kafka, Musil und Broch, M. K.) gefunden hätten, die sie verdienten. (Paul Michael Lützeler 1986, 7) Gleichzeitig differenziert Canetti seine Verbeugung bedeutsam, wenn er festhält, dass er Musil und Broch "in seiner Wiener Zeit" gekannt habe und dass Musils Werk ihn "bis zum heutigen Tag" fasziniere. "Mit Hermann Broch", so Canetti, sei er "befreundet gewesen". "Ich glaube nicht, daß sein Werk mich beinflußt hat [...]." (Manfred Durzak 2001, 11)

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