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KAPITEL

1. Das Trauma des Exils und die Orte des Traumas
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2. Wiederbegegnungen mit der ehemaligen "Heimat"
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3. Die geteilte Topographie des Erinnerns
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4. Anhang
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Jacqueline Vansant:
Exil, Rückkehr, Heimkehr - Topographien des Erinnerns


In seinen Memoiren "Von der Kunst, Österreicher zu sein" beschreibt Hans J. Thalberg (* 1916) seine Beziehung zu seiner Heimatstadt Wien nach seiner Rückkehr aus dem Exil:

Thalberg, Hans zeigen

"Was ist eine Stadt? Eine von Menschenhand geschaffene Landschaft von Steinbauten, Verkehrswegen und einigen Grünflächen. Städte gewinnen erst Leben, wenn man sie mit Menschen verknüpfen kann. Sonst werden sie zu toten Steinhaufen, die einen Grabgeruch an sich tragen. So erschien mir Wien im Jahre 1945. Alle die Menschen, die ich gekannt und geliebt hatte, mit denen ich verwandtschaflich oder freundschaftlich verbunden gewesen war, waren verschwunden: emigriert oder vergast. Jede Straßenecke, jede Parkbank in jener Gegend Wiens, in der ich gelebt hatte und die ich nun wieder aufsuchte, sprachen mir von dem Grauen der Vergangenheit. [...] Meine Geburtsstadt, ja. Meine Heimatstadt? Zu tief war der Graben, der mich von den Menschen trennte." (Hans J. Thalberg: Von der Kunst, Österreicher zu sein, 152 f.)

Stella Klein-Löw

Die Sozialdemokratin Stella Klein-Löw (1904-1986) reagiert auf das Nachkriegswien folgendermaßen:

Klein-Löw, Stella mit Bruno Kreisky zeigen

"Der Westbahnhof in Wien: Lärm und Bewegung, Baracken, Unordnung, Chaos. Die Straßen: alle bekannt - alle fremd. Schwarze, augenlose Ruinen, verdorrte Bäume, tiefe Löcher, über die man holperte und stolperte. Langsam wich die Starre einem Gefühl der Empörung, des Zähneknirschens, des Zornes. 'Das haben sie dir angetan, geliebtes, rotes Wien!' Aber 'sie', das waren nicht die Flugzeuge und Panzer der Alliierten, sondern die für den Kriege Verantwortlichen. Das war das erste Zueinanderfinden: dieses Empören über das Leid einer Stadt, die Vergewaltigung einer geliebten Heimat. Die Menschen waren schlecht gekleidet, sahen grau aus, eilten wie blind irgendwohin. Die Kinder still, die Alten hoch aufgerichtet, steif, in sich gekehrt; wie Marionetten. [...] Es war unheimlich, wie unbewegt alles erschien. Woher kam das? Doch wohl vom Fehlen des Lachens, des Lustbetonten. Die ersten Tage waren erfüllt vom Suchen und Nichtfinden, von Versuchen, sich einzuleben, von der Erkenntnis, dass man allein, fremd war." (Stella Klein-Löw: Erinnerungen 1980, 167)

Hilde Spiel

Ein geliebter Ort aus der Kindheit erinnert Hilde Spiel (1911-1990) daran, was sie als Folge des Exils verloren hat. Bei ihrer Rückkehr in ihre Heimatstadt im Winter 1946 beschreibt sie in einem Brief an ihren Mann eine außergewöhnliche Begegnung mit dem Pfarrplatz im 19. Wiener Gemeindebezirk. In ihrer Autobiographie "Die hellen und die finsteren Zeiten" zitiert sie aus dem Brief:

Spiel, Hilde zeigen

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