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KAPITEL

1. Aspekte des Exils von Schriftstellerinnen
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2. Vicki (Hedwig) Baum (1888-1960)
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3. Hermynia Zur Mühlen (1883-1951)
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4. Mela Hartwig (1893-1967)
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5. Lili Körber (1897-1982)
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6. Hilde Spiel (1911-1990)
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7. Resümee
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8. Anhang
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Sigrid Schmid:
Schriftstellerinnen im Exil - Zuständig fürs Überleben


Die Art und Weise, in der das durch den Nationalsozialismus erzwungene Exil ge- und erlebt wurde, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Neben dem Land, das einen aufnahm, war natürlich der Zeitpunkt, zu dem man Österreich bzw. Deutschland verlassen hat, wichtig. Denn davon hing nicht nur ab, ob man Geld und persönliche Dinge noch mitnehmen konnte, sondern dieser Zeitpunkt bestimmte auch in vielem die Behandlung, die man im Exil-Land erfuhr, z. B. ob man in Großbritannien als Emigrant/in oder als "alien of an enemy country" eingestuft wurde und damit Einschränkungen in den Orten, in denen man sich niederlassen durfte, unterlag oder überhaupt interniert wurde.

Wichtig war natürlich auch, ob man als politischer Flüchtling im Exil-Land raschen Kontakt zur dortigen entsprechenden Partei (Kommunisten, Sozialisten) knüpfen konnte und so neben der Weiterführung des politischen Kampfes auch neue persönliche Bekanntschaften schließen und Hilfe im Alltagsleben finden konnte, oder ob man aus "rassischen" Gründen fliehen musste. Speziell für assimilierte Juden, die keinen Kontakt zu den religiösen Gemeinden hatten, war die Situation schwierig, denn erst allmählich bildeten sich bestimmte Organisationen, wie z. B. die American Guild for German Cultural Freedom von Hubertus Prinz von Löwenstein, die den immer zahlreicher werdenden Flüchtlingen Hilfestellungen leisteten.

Während die Bedeutung dieser Aspekte in der Exil-Forschung relativ früh erkannt und untersucht wurde, ebenso wie die soziale und berufliche Herkunft, ist die Bedeutung des Geschlechts und des Alters der Emigrant/inn/en erst in jüngster Zeit ins Blickfeld gerückt. So ist es natürlich leichter für einen Automechaniker oder eine Näherin, in einem fremdsprachigen Land einen Arbeitsplatz zu finden als für eine Sekretärin oder einen Handelsvertreter, bei denen die sprachliche Ausdrucksfähigkeit eine wichtige Rolle spielt. Auch Chemiker oder Ärzte hatten es relativ leichter als Rechtsanwälte oder Schauspieler.

Jüngere Leute, die noch in der Ausbildung standen, lernten nicht nur die Sprache des Exillandes schneller, sondern sie konnten sich auch offener auf dem neuen Arbeitsmarkt orientieren. Gerade bei jungen Frauen aus behüteten bürgerlichen Familien wurde das Exil manchmal auch als Befreiung empfunden. Die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, gab ihnen die Möglichkeit, Berufe zu ergreifen, denen die Eltern "zu Hause" niemals zugestimmt hätten; das Exil ermöglichte es ihnen, die Rolle der "höheren Tochter", die gut gebildet zu Hause darauf wartet, geheiratet zu werden, zu verlassen. Aber auch ältere Frauen, die ihr Leben lang nur Hausfrauen waren, entwickelten im Exil oft erstaunliche Aktivitäten und verdienten nun - gezwungenermaßen - den Lebensunterhalt für Mann und Kinder.

Jeder einzelne Fall ist natürlich eine Summe dieser unterschiedlichen Faktoren und jeweils spezifisch. Dennoch kann man einige generelle Trends herauslesen, zu denen es natürlich immer Ausnahmen gibt.

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