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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Erste Kontakte mit einer fremden Kultur
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3. Probleme in der neuen Heimat
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4. Politik im Exil
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5. Schmerzlicher Neuanfang
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6. Anhang
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Siglinde Kaiser-Bolbecher:
Österreichische Emigration in Kolumbien


Fritz Friedmann hatte 1932 zu Ausbildungszwecken in einer Farbfabrik in Deutschland gearbeitet und war über die politische Entwicklung zutiefst betrübt zurückgekehrt. 1936 entschloss er sich, einem Angebot folgend, nach Kolumbien auszureisen, um sich eventuell mit seiner Familie dort niederzulassen. Nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich war es ihm möglich, insgesamt 29 Personen über zum Teil fingierte Arbeitsvisa aus Österreich zu retten. In der Konzentration auf die Familie und den Bekanntenkreis zeigt dieses Beispiel eine durchaus typische Emigrationsform. Damit lässt sich auch zum Teil die Frage beantworten, wie Kolumbien zum Exilland wurde bzw. eine Unterscheidung zur jüdischen Massenemigration treffen.

Lore Friedmann, die 1937 ihrem Mann nach Kolumbien nachfolgte, erinnert sich ihres ersten Eindruckes von der Hauptstadt Bogotá, mit damals 350.000 Einwohnern (ohne die "barrios" gerechnet), als einer "schwarzen Stadt". Die Menschen waren nach der Tradition des Hochlandes dunkel gekleidet, ihre Gesichter grau und abgearbeitet und sie wirkten ungesund und schlecht ernährt. Mit Entsetzen erfüllten sie die zahlreichen Straßenkinder. (Interview der Verfasserin mit Lore Friedmann, 23. Mai 1993 in Bogotá)

In einem Brief, datiert mit Juni 1941, schildert ein österreichischer Exilant die zunächst "wirren" Vorstellungen, die er und seine Frau sich bei ihrer Ankunft im Juli 1938 von den zu erwartenden Lebensumständen gemacht hatten.

"In unserem Gepäck hatten wir daher vorsorglich einige europäische Kulturgüter wie: Zahnpasten, Mistschaufeln, Lavoirs und Clopapiere verstaut. (...) heute lächeln wir darüber, denn 80% der Bevölkerung kennen diese Dinge nicht, die Mehrzahl der Häuser haben weder Kanalisation, noch elektrisches Licht, noch Wasserleitung. Kolumbien kann das 'Land der Gegensätze' genannt werden. Denn neben zerfallenen Lehmbehausungen sind modernste Wolkenkratzer, eine wunderschöne freizugängliche Bibliothek, Musiksäle etc. - und 70% der Bevölkerung Analphabeten, unerhörter Reichtum und unvorstellbare Armut, vorläufig noch friedlich, knapp nebeneinander ..." (Bericht von Kurt Weiss im Juni 1941, Bogotá. DÖW Akt Nr. 6426)

Einen versöhnenden Ausgleich zum "Kulturschock" bot die Schönheit der nordwestlich von Bogotá gelegenen immergrünen Hochebene, mit Eukalyptuswäldern, umrahmt von einer Bergkette, die an die durch Flucht verlorene alpine Heimat erinnerten.

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