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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Erste Kontakte mit einer fremden Kultur
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3. Probleme in der neuen Heimat
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4. Politik im Exil
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5. Schmerzlicher Neuanfang
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6. Anhang
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Siglinde Kaiser-Bolbecher:
Österreichische Emigration in Kolumbien


Aus dem Fest wurde eine Trauerfeier. Wenige Tage vor der Feier stürzte ein vollbesetztes Flugzeug nahe Bogotás ab; Nationaltrauer war angesagt. Beim ersten Auftritt wurden Mozart und Schubert aufgeführt, Eugen Strehn sang das "Hobellied" aus Raimunds "Verschwender". Die Einnahmen spendete die Truppe den Hinterbliebenen der Flugzeugkatastrophe. Wiener, Strehn hatten ein Programm "Vamos a Colombia" ("Auf nach Kolumbien") vorbereitet, und die Bodenwieser-Truppe führte mit ihnen gemeinsam ihre Revue "Vienesa" auf. Die Kolumbianer waren begeistert von den Aufführungen und das "vornehmlich" männliche Publikum fasziniert von den Tänzerinnen. Das zunächst auf zwölf Wochen befristete Visum wurde verlängert, Tourneen durch ganz Kolumbien arrangiert. Das Reisen war furchtbar anstrengend, aber alle standen unter dem Druck, Geld zu verdienen und sich auf das Exil einzurichten. Anfang 1939 trennte man sich. Wiener und die Kraner nahmen ein Angebot nach Venezuela an; Gertrud Bodenwieser folgte der Tänzerin Shona Dunlop nach Neuseeland, nachdem ihrer Schwester Franziska Hecht und ihrem Neffen Carlos Hecht die Flucht nach Kolumbien geglückt war. Magda Brunner eröffnete eine Ballettschule in Bogotá.

Die Bodenwieser-Truppe war ursprünglich als exquisite Attraktion für die "High Society" nach Kolumbien gelangt. So tanzten sie beim "Präsidentenball", zu dem der neue Präsident Santos bei seinem Amtsantritt geladen hatte. Wiener Walzer und Bauerntänze fanden großen Anklang, die Bodenwieser war aber nicht bereit, auf avantgardistisches Ballett zu verzichten, oder auf Inhalte, die den großen Landbesitzern nicht angenehm waren wie der Tanz "Cart Drawn by Man", der versklavende Unterdrückung thematisiert. (vgl. Dunlop MacTavish o. J., 70)

Bodenwieser, Gertrud zeigen
Bodenwieser, Gertrud zeigen
Bodenwieser, Gertrud zeigen

Die vielfältigen Kultur der Indigenas inspirierte sie zu neuen Choreografien, in die sie indianische Musik und Tanzschritte integrierte. Im "Coffee Dance" wurden der Kaffeeanbau und die Arbeit im Cauca-Gebiet dargestellt. Zwei spanische Ballettlehrer trainierten mit den Tänzerinnen die klassischen nationalen Tänze: Colombiano, Bambuco, den Cumbia usw. Der große Auftritt in der Stierkampfarena von Bogotá fand zugunsten der Tuberkulosebekämpfung statt. Vor 30.000 Zuschauern tanzte die Truppe gemeinsam mit indianischen und schwarzen Tänzern. In den 10 Monaten "Tanz" in Kolumbien trug Gertrud Bodenwieser sicher sehr viel dazu bei, dass Wien und Österreich überhaupt bekannt wurden und sich mit diesem Ort und seinen Menschen die Vorstellung einer spezifischen Musik und tänzerischen Ausdrucksform verband.

Frau mit Hut - Straßenszene zeigen
Frau mit Zigarette zeigen
Lastenträgerin - Bäuerin mit Tongefäßen (Serie -"Frauen Kolumbiens") zeigen

Für die restriktivere Handhabung der Visa-Vergabe war unter anderem der Regierungswechsel vom liberalen und reformorientierten Präsidenten Alfonso López, der bis Mitte 1938 und dann wieder 1942-1945 amtierte, zu dem konservativen Präsidenten Eduardo Santos verantwortlich. Unter seiner Amtszeit 1938-42 gewannen rechtsorientierte Gruppen an Einfluss, auch regten sich nationalsozialistische Zellen, die unter den bereits in Kolumbien ansässigen Auslandsdeutschen Einfluss zu gewinnen versuchten. Immerhin war ein Teil als Firmeneigentümer vom Import und Export von und nach Deutschland abhängig. Mitte der 30er Jahre war Deutschland nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner Kolumbiens; Kaffee und Südfrüchte wurden auf Hapag-Lloyd-Schiffen ausgeführt und Industriewaren eingeführt. Die Konzerne Siemens, AEG und IG Farben hatten eigene Vertretungen in Bogotá. (vgl. Petersen, Scheel, Ruth 1933, 311) Die einzige deutschsprachige Zeitung in Kolumbien, der ab 1937 erscheinende "Karibische Beobachter", war nazistisch beeinflusst. Er erschien zweimal monatlich in einer Auflage von 800 bis 1000 und umfasste 36 Seiten. 1939 musste er eingestellt werden.

Palacio de Inquicitión zeigen

Letztlich blieb der Einfluss der Nationalsozialisten unter den Auslandsdeutschen gering. Der Ausbruch des II. Weltkrieges gefährdete zunächst die Handelsbeziehungen und der Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Deutschland am 18.12. 1941, sowie die Konfiskation deutschen Vermögens durch die kolumbianische Regierung machten eine nationalsozialistische Betätigung zunichte. (vgl. Allgaier 1979, 443)

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