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KAPITEL

1. Behütete Kindheit und Jugend in der Bukowina
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2. Auswanderung nach Amerika
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3. „Der Regenbogen“ erscheint in Czernowitz
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4. Sowjetisierung der Bukowina
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5. Ghetto, Elend, Horror, Todestransporte
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6. Wieder in Amerika
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7. Im Nelly-Sachs-Haus
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8. Poetologische Grundsätze
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9. Das letzte Jahrzehnt
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10. Anhang
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Peter Rychlo:
Rose Ausländers Leben und Dichtung. „Ein denkendes Herz, das singt“


Obwohl Rose Ausländer und ihre Familie den entsetzlichen Zwängen unterworfen waren, muss es doch als großes Glück für sie bezeichnet werden, dass sie nicht sofort nach Transnistrien (so nannte man das unter deutscher Oberhand und rumänischer Verwaltung stehende Territorium zwischen Dnjester und dem südlichen Bug) transportiert wurden. Dort wurden in verlassenen Viehställen, Steinbrüchen oder überhaupt unter freiem Himmel die von rumänischer Soldateska bewachten „Arbeitslager“ für die Bukowiner Juden eingerichtet, wohin in den Jahren 1941–1944 rund 45.000 Czernowitzer jüdische Bürger verschleppt worden waren, von denen nur wenige Hunger, Kälte und Flecktyphus überlebten. Auch Paul Celans Eltern kamen dort um. Ein Nachlassgedicht Rose Ausländers, als ein exakter, trockener Bericht verfasst, findet für die Tragik jener Zeit eine adäquate Form:

IN MEMORIAM CHANE RAUCHWERGER // Getto / Hungermarsch / Bei 30 Grad unter Null / schlief meine fromme Tante / (immer betete sie / glaubte inbrünstig an Gerechtigkeit) / schlief meine sündlose Tante / ihre Tochter ihr Enkel / nach vielen Hungermarschtagen / auf dem Eisfeld in Transnistrien / unwiderruflich / schliefen sie ein // Der Glaube / der Berge versetzt / o weiser Wunderrabbi von Sadagora / Chane Rauchwerger glaubte an dich / wo warst du / damals / wo war dein Wunder.

(Ausländer, Rose: Schweigen auf deine Lippen. Späte Gedichte aus dem Nachlass. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1994, S. 120)

Gedicht aus dem Zyklus „Gettomotive“ (1943) zeigen

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