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KAPITEL

1. Klassisches Exilland - Mythos und Realität
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2. Zur Asylpolitik der Schweiz
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3. "Das Boot ist voll". Maßnahmen gegen unerwünschte Flüchtlinge
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4. Asylgewährung
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5. Hilfsorganisationen
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6. Die Internierung von Flüchtlingen
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7. Paul Grüninger
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8. Österreichische Exilantinnen und Exilanten in der Schweiz
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9. Transitland Schweiz
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10. Vom Leben im Schweizer Exil
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11. Das Zürcher Schauspielhaus
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12. Rückkehr
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Exilland Schweiz

Das Zürcher Schauspielhaus


"Obwohl keine Exilgründung, vermochten die Exilanten das Zürcher Schauspielhaus so zu formen, daß es ein wesentlicher Teil der Kultur des antifaschistischen Exils wurde." (Roessler, In: MdZ 1/97, 19)

1926 übernahm der ehemalige Weinhändler Ferdinand Rieser (1886-1947), der zuvor bereits für die administrativen Belange zuständig gewesen war, die Leitung des als Privattheater geführten Zürcher Schauspielhauses. Zunächst von den künstlerischen Direktoren Richard Rosenheim und Hermann Wlach unterstützt, war er ab 1929 alleiniger Direktor des Hauses am Pfauen. Die Gebrüder Rieser hatten das ehemalige Varietétheater, das vor seiner Umwandlung zum eigenständigen Unternehmen eine Zeitlang die Schauspiel-Dépendance des Stadttheaters gewesen war, 1926 aufwändig umbauen lassen. Unterhaltungsstücke machten das Gros eines Spielplans aus, in dem aber auch schon zu Beginn der dreißiger Jahre Dramen von Ferdinand Bruckner, Carl Zuckmayer oder Franz Werfel (mit dessen Schwester, der Schriftstellerin Marianne Rieser, Ferdinand Rieser verheiratet war) Aufnahme fanden.

1933 bedeutete einen großen Einschnitt in der Geschichte des Hauses, das Ensemble wurde vorwiegend aus Schauspielern und Schauspielerinnen zusammengesetzt, die vor den Nazis in die Schweiz flüchten mussten. Ferdinand Rieser ließ sich vom Dramaturgen und Regisseur Kurt Hirschfeld beraten, der nach dem Machtantritt Hitlers seinen Posten am Theater in Darmstadt verloren hatte, und dem die neue Stellung in Zürich die Flucht aus Hitlerdeutschland ermöglichte. Er und Rieser verhalfen zahlreichen bedrohten und verfolgten Bühnenkünstlern meist unter gefährlichen Umständen zum Grenzübertritt in die Schweiz. Engagiert wurden unter anderem der österreichische Regisseur Leopold Lindtberg, der Bühnenbildner Teo Otto, die Schauspieler Ernst Ginsberg, Kurt Horwitz, Leonard Steckel, Erwin Kalser. Sowie Wolfgang Langhoff, Mit-Autor des Lagerliedes "Die Moorsoldaten", für dessen Entlassung aus dem Konzentrationslager (offiziell im Zuge einer Amnestie 1934) sich Rieser auf Betreiben von Kurt Hirschfeld und Leopold Lindtberg eingesetzt hatte.

Obwohl Rieser weiterhin auf das Boulevardstück setzte, kam es zu Aufsehen erregenden Inszenierungen von Stücken der Exilautoren Ferdinand Bruckner, Friedrich Wolf, Ödön von Horváth, Carl Zuckmayer u. a. Rieser war den Angriffen der Schweizer Frontisten ausgesetzt, die sich mit den Nationalsozialisten identifizierten. Diese bekämpften die Engagements von Exilanten, verhöhnten die Spielplangestaltung und versuchten seine Herkunft aus jüdischer Familie gegen ihn zu verwenden. Rieser widerstand den Frontisten ebenso wie den Versuchen der Einflussnahme seitens der deutschen Behörden.

1938 gab Ferdinand Rieser sein Theater jedoch auf und ging über Frankreich in die USA. Er musste sich schließlich doch zu sehr unter Druck gesetzt gefühlt haben. Über Mittelsmänner in der Schweiz versuchten die deutschen Behörden massiv Einfluss auf das Schauspielhaus zu gewinnen und einen ihnen genehmen Intendanten zu installieren. Es gelang jedoch diese Gefahr abzuwenden. Durch den Einsatz des Verlegers Emil Oprecht wurde das Theater zu einer Schauspiel AG umgewandelt, das Aktienkapital stammte vorwiegend von privaten Gönnern, die Stadt Zürich unterstützte das Haus mit zunächst sehr geringen Mitteln. Neuer Leiter wurde Oskar Wälterlin, der von 1933-1938 Oberspielleiter der Oper in Frankfurt am Main war, bevor er Hitlerdeutschland verließ und in seine Schweizer Heimat zurückkehrte.


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