zurück zum Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

1. Palästina/Israel - ein "Exilland"?
anzeigen

2. Moshe Ya'akov Ben-Gavriêl
anzeigen

3. Meir Marcell Faerber
anzeigen

4. Simon Kronberg
anzeigen

5. Max Brod
anzeigen

6. Max Zweig
anzeigen

7. Leo Perutz
anzeigen

8. Anna Maria Jokl
anzeigen

9. Elazar Benyoëtz
anzeigen

10. Anhang
anzeigen

 

Armin A. Wallas:
"Exilland" Palästina/Israel

Leo Perutz


Der Prager Schriftsteller Leo Perutz, der einem weiten Leserkreis durch phantastisch-mystische Erzählungen aus dem alten Prag bekannt wurde, repräsentiert jene Flüchtlinge, die Palästina/Israel weder als "neue Heimat" noch als "Asyl", sondern als Ort des "Exils" auffassten. Im März 1938 erlebte Perutz den Einmarsch deutscher Truppen in Wien und die unmittelbar darauf einsetzenden Ausschreitungen gegen Juden. Er hoffte zunächst, ein Visum für ein europäisches Emigrationsland zu erhalten. Aufgrund der Bemühungen seines in der zionistischen Bewegung tätigen Bruders Hans Perutz konnte er jedoch, versehen mit einem sogenannten "Kapitalisten-Zertifikat", nach Palästina reisen, wo er im September 1938 ankam. Die Ausrufung des Staates Israel im Jahre 1948 betrachtete Perutz mit Misstrauen, da er jeglicher Form von "Nationalgefühl" und "Patriotismus", mithin auch dem jüdischen Nationalismus, mit Ablehnung gegenüberstand. Er begeisterte sich für die Idee eines binationalen jüdisch-arabischen Staatswesens, kritisierte die antiarabische Politik und nahm aus Protest gegen die israelische Staatsgründung die österreichische Staatsbürgerschaft an. Obwohl er nach wie vor seinen Hauptwohnsitz in Tel Aviv hatte, begab er sich seit 1950 häufig auf Reisen nach Europa. Auf einer dieser Reisen, 1957 in Bad Ischl, ist er gestorben.

Perutz, Leo und Gretl (1950er Jahre) zeigen

"Ich hatte Palästina gerne, aber es hat sich seit einem Jahr sehr geändert. Die Araber in dem uns gehörenden Teil sind so gut wie verschwunden. [...] Ich mag auch das Nationalgefühl nicht und auch nicht den Patriotismus, beide sind schuld an jedem Unheil, das seit 150 Jahren über die Welt gekommen ist. Mit Nationalgefühl beginnt's und mit Cholera und Ruhr und Diktatur endet es. Ich will also fort, sowie ich kann, aber dabei weiß ich, daß mir ewig nach Palästina, und sogar nach Tel Aviv bange sein wird. So geht es einem, der allzuviel Vaterländer hat. Ich habe deren drei gehabt, und alle drei wurden mir wegeskamotiert." (Perutz, Brief an Annie und Hugo Lifczis, Tel Aviv 2.10. 1948, zit. nach Müller u. Eckert (Hg.), Leo Perutz, 1989, 346)

1951 schloss Perutz den - schon 1924 begonnenen - Roman "Nachts unter der steinernen Brücke" (1953) ab, der im Prag Kaiser Rudolfs II. spielt und das Leben im alten jüdischen Ghetto von Prag rekonstruiert, in dem der hohe Rabbi Löw gewirkt hat. Die Handlung ist multiperspektivisch verschachtelt, indem sich der Roman aus 14 Novellen zusammensetzt, die zum Teil auf Überlieferungen jüdischer Märchen und Legenden zurückgreifen. Ebenfalls in historischer Zeit spielt der posthum erschienene Roman "Der Judas des Leonardo" (1959), der anhand der Entstehung von Leonardo da Vincis Fresko "Das letzte Abendmahl" ein Kulturbild der italienischen Renaissance entwirft. Der in der Gegenwart handelnde und Perutz' eigene Emigrationserfahrungen aufarbeitende Roman "Mainacht in Wien" blieb hingegen unvollendet.


S. 11/14 vorherige Seitenächste Seite

   

IMPRESSUM | 2002 © UNIVERSITÄT SALZBURG