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KAPITEL

1. Palästina/Israel - ein "Exilland"?
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2. Moshe Ya'akov Ben-Gavriêl
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3. Meir Marcell Faerber
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4. Simon Kronberg
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5. Max Brod
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6. Max Zweig
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7. Leo Perutz
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8. Anna Maria Jokl
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9. Elazar Benyoëtz
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10. Anhang
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Armin A. Wallas:
"Exilland" Palästina/Israel

Elazar Benyoëtz


Benyoëtz kam als Zweijähriger nach Palästina, als seine Eltern 1939 aus dem an Hitler-Deutschland "angeschlossenen" Österreich flüchteten. Er wuchs in der hebräischen Sprache auf, legte ein Rabbinerexamen ab und publizierte erste Lyrikbände auf Hebräisch. Mitte der 1960er Jahre verbrachte er einen mehrjährigen Forschungsaufenthalt in Deutschland, mit dem Ziel, die von den Nationalsozialisten vernichtete deutsch-jüdische Literatur bio-bibliographisch zu erschließen, das Werk der ermordeten und vertriebenen Schriftsteller vor dem Vergessen zu bewahren und ins Hebräische zu übersetzen. Im Zuge dieser Arbeit wurde er selbst immer stärker in die deutsche Sprache gezogen, ein Prozess, der heftige Gewissensqualen und Identitätskonflikte auslöste, da er Deutsch zugleich als Mutter-Sprache und als Fremd-Sprache - vor allem auch als Sprache der Judenvernichtung - betrachtete.

Benyoëtz, Elazar zeigen

"Die mich heimsuchende deutsche Sprache bescherte mir Augenblicke eines hohen dichterischen Glücks. Ich hörte dabei aber nie auf, meine Lage als beklagenswert zu empfinden. Mein ganzes Bewußtsein ist gegen mich, und mit diesem gegen mich gerichteten Bewußtsein wehrte und wehre ich mich dagegen, ein deutscher Dichter zu sein" (Benyoëtz, Treffpunkt Scheideweg, 1990, 162)

Als bevorzugte Gattung wählt Benyoëtz den Aphorismus. Sprache wird konzentriert in Ein-Sätze. Worte und Sätze werden auf ihren ursprünglichen Sinn zurückgeführt, geben ihre Mehrfachbedeutungen preis. Wort-Spiel offenbart sich als Wort-Ernst. In der abbreviativen Form des Gesagten werden multiperspektivische Denk- und Interpretationsprozesse gebündelt. Mittels eines literarischen Montageverfahrens kombiniert Benyoëtz Aphorismen mit Briefen, Lyrik, Zitaten und essayistischen Reflexionen. Die Bücher von Benyoëtz - die wichtigsten davon sind "Worthaltung" (1977), "Treffpunkt Scheideweg" (1990), "Filigranit" (1992), "Brüderlichkeit. Das älteste Spiel mit dem Feuer" (1994), "Variationen über ein verlorenes Thema" (1997) und "Die Zukunft sitzt uns im Nacken" (2000) - entfalten Grenzgänge zwischen Literatur, Sprachkritik, Philosophie und Religion. Das bevorzugte Thema des Aphoristikers ist das deutsch-jüdische Verhältnis, das er mit dem Begriff "Treffpunkt Scheideweg" umschreibt, ein Begriff, der Dialog und Zerbrechen, kulturelle "Symbiose" und Vernichtung in ein spannungsreiches wechselseitiges Interpretationsverhältnis stellt. Die Zäsur der Shoah prägt jedes Wort, das nach Auschwitz geschrieben wird, ebenso jeden Versuch des Gottes-Gedenkens. So heißt es in einem Aphorismus von Benyoëtz in prägnanter Kürze:

Benyoëtz, Elazar: Treffpunkt Scheideweg, 1990 zeigen

Benyoëtz, Variationen über ein verlorenes Thema, 1997 zeigen

"Rom wie Jerusalem sind aber nur noch über Auschwitz zu erreichen" (Benyoëtz, Variationen über ein verlorenes Thema, 1997, 83)

Die intensive Beschäftigung mit der Sprache leitet sich nach Ansicht von Benyoëtz aus der jüdischen Tradition her, derzufolge Hebräisch als Sprache der Weltschöpfung und Gottesoffenbarung aufgefasst wird. Indem er selbst die deutsche Sprache als Ausdrucksmittel wählt, findet er Distanz zur hebräischen (Bibel-)Tradition.


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