Raum 3
Michael Stone
und Georg Stefan
Troller
   
 

5.A Klasse des BG 19, Schuljahr 1937/38.
Michael Kuh/Stone in der letzten Reihe im Eck (mit Brille)

Dieses Photo muß in den Wochen nach dem „Anschluß“ entstanden sein, da ein Schüler ein Hakenkreuzabzeichen trägt. Michael Kuh war der Neffe des Schriftstellers und Feuilletonisten Anton Kuh. Nach seiner Meldung zu einer Kampfeinheit der britischen Armee wurde sein Name in Michael Stone geändert.

 

 

Das jüdische Blindeninstitut auf der Hohen Warte in Wien

Der zentrale Ort des heranwachsenden Michael Kuh war nicht das Elternhaus, eine ärmliche Wohnung in einem Dachgeschoß in der Pyrkergasse, nicht das Untermietzimmer in der Barawitzkagasse, nicht die Schule in der Gymnasiumstraße, sondern das jüdische Blindenheim für Kinder und Jugendliche auf der Hohen Warte, wo er für kleine Hilfeleistungen das Mittagessen einnahm. Dieses Heim war ihm zugleich Zufluchtsort und Ort der Bestätigung. (Heute befindet sich in diesem Gebäude das Bezirkspolizeikommissariat Döbling.)

„Es sind noch drei Wochen bis zum jährlichen Beethoven-Wettbewerb, der in diesem Jahr zum letzten Mal stattfinden wird. Ein Jahr später wird dieses Heim für blinde Kinder und Jugendliche geschlossen sein. Dr. Altmann, der Direktor, wird nach Amerika auswandern. Noch ein Jahr - und einige der Kinder werden bereits tot, ermordet sein. Und noch ein Jahr - und die anderen werden mit ihren Familien in Viehwagen in ein Ghetto in Polen transportiert worden sein. Ein Jahr darauf werden sie alle tot, ermordet sein. Auch Gerhard, der jetzt gerade Beethovens lieblichste Klaviersonate übt, die Sonate in e-Moll, op. 90. Auch die sanfte Lisbeth, vierzehn Jahre alt, die die meiste Zeit mit den kleineren Kindern verbringt.“ (Stone, Blindeninstitut, S. 17)

 

 

Aufmarsch von Österreicherinnen und Österreichern im Juni 1942, die fordern, daß sich Österreicher auch zur kämpfenden Truppe des britischen Militärs melden können

1940 wurde Michael Kuh - nachdem in Großbritannien nach der Niederlage Frankreichs gegen Nazideutschland Hysterie und Angst vor der sogenannten „Fünften Kolonne“ um sich griff - wie alle anderen männlichen Emigranten aus Deutschland und Österreich als „feindlicher Ausländer“ interniert. Da die Internierungslager in England bald überfüllt waren, wurden einige tausend Internierte nach Australien und Kanada gebracht. Auf diese Weise kam Michael Kuh nach Kanada. 1942 meldete er sich zum „Pioneer Corps“ der britischen Armee - einer unbewaffneten Hilfstruppe. Sofort als es für Emigranten möglich war, sich auch zur regulären Armee und damit zu Kampftruppen zu melden, tat er dies und kämpfte in einem Spähtrupp in Italien. Dabei mußte er aus Schutzgründen seinen Namen in Michael Stone ändern - wie es einem Emigranten im Falle seiner Gefangennahme durch deutsche Truppen ergangen wäre, kann man sich vorstellen.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes


 

Das Photo der Associated Press

zeigt drei 17jährige Österreicher, die sich am 25. Juni 1943 gemeinsam mit hunderten Österreichern beim Londoner Rekrutierungsamt anstellen

 

 

 

Eine Gruppe von Österreichern bei der Meldung zur britischen Armee, Leeds 1943

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands

 

 

 

Georg Stefan Troller als US-Soldat 1945 in Frankreich

Nachdem Georg Stefan Troller mit Hilfe eines Schleppers 1938 in die Tschechoslowakei entkommen war, gelang es ihm nach der Besetzung der „Resttschechei“ durch die deutsche Wehrmacht am 29. April 1939 nach Frankreich zu emigrieren. Nach seiner Internierung als „feindlicher Ausländer“ kam er in Folge der militärischen Niederlage Frankreichs frei und war von da an immer auf der Suche nach Ausreisemöglichkeiten. Schließlich erhielt er am 21. Mai 1941 ein Einreisevisum für die USA. „Meine Nummer betrug an die 16.000. >Damit können Sie ungefähr zur Jahrtausendwende einreisen<, (sagte der Vizekonsul). Er zwinkerte der Sekretärin zu. >Haben wir irgendwelche Jammerlappen mit niedriger Nummer?<. (...) Eine Akte wurde herausgekramt. (...) >Fein, Sie tragen von jetzt an die Nummer 1840, verstanden? Amerika braucht Soldaten. Heben Sie die rechte Hand!< Von einem Vordruck las er im Blitztempo eine endlose Litanei: >Ich beschwöre hiermit feierlich, daß ich nicht der Kommunistischen Partei (...) angehört habe. (...) Mit anderen Worten, sind Sie Kommunist?< >Yes, yes!< schrie ich begeistert, weil ich kein Wort verstand.“ (Troller, Selbstbeschreibung, S.126f)
Zwei Jahre später kehrte Troller als US-Soldat nach Italien, später nach Frankreich, Deutschland und Österreich zurück.

 

 


Drei Wege in die Emigration – ist Teil des Projektes „Österreichische Literatur im Exil seit 1933“ der Universität Salzburg/Institut für Germanistik; Gestaltung: Artur Bodenstein – laboratoire directe