Polgar, Alfred
* 1983-10-17 Wien (A)
† 1954-04-24 Zürich

(eigentlich: Alfred Polak)

Der Sohn eines Musiklehrers aus der Slowakei und einer aus Ungarn stammenden Mutter wuchs in Wien Leopoldstadt auf und begann 1895 seine journalistische Karriere bei liberal orientierten Zeitungen, aber auch beim satirischen (und teils antisemitischen) "Simplicissimus". Bald trat er in den Kreis um Peter Altenberg ein, dessen Nachlass er später herausgab, und entwickelte sich mit seinen Feuilletons und scharfsinnigen Lokal- und Theaterkritiken zu einem der wichtigsten Vertreter der sogenannten Wiener Kaffeehaus-Literatur. Seine ersten Erzählungen und aphoristischen Texte erscheinen seit 1908. Im Zuge des 1. Weltkrieges, den er im Kriegspressequartier (u. a. mit Robert Musil) verbrachte verstärkten sich die pazifistischen wie die sozialistischen Einstellungen, die in zahlreichen Texten und Skizzen sichtbar werden (z. B. in "Musterung", "Die Uniform" oder in "Der Friede von Brest-Litowsk", "Kleine Schriften", 1, 19-21; 29-31; 72-74) und in der Mitarbeit an der Zeitschrift Der Friede (1918/19) einmündeten. 1925 übersiedelte er nach Berlin, wurde dort Mitarbeiter des "Berliner Tageblatt" sowie der "Weltbühne" und schrieb weiterhin auch für Wiener und Prager Zeitungen und veröffentlichte in rascher Folge die wichtigsten seiner Bücher. Nach dem Reichstagsbrand 1933 flüchtete er über Prag nach Wien zurück und wurde dort zum unermüdlichen Warner vor dem NS-Terror. Polgar war auch von Beginn an in wichtigen Exilzeitschriften wie Das Neue Tagebuch (Paris) oder später im "Aufbau" (New York) präsent. 1938 emigrierte er nach Paris, wo er in der "Zentralvereinigung österreichischer Emigranten" mitarbeitet, 1940 in die USA (zuerst nach Hollywood als Drehbuchautor bei Metro-Goldwyn-Mayer, dann nach New York), wo er kärglich von der Übersetzung von amerikanischen Theaterstücken und der Bearbeitung von Dramen (z. B. F. Molnárs) lebte. Ab 1941 Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nach einer Herzattacke.

Von Polgar stammt eine der treffendsten und häufig zitierten Formeln über die Exilerfahrung:

"Emigranten-Schicksal: Die Fremde ist nicht Heimat geworden. Aber die Heimat Fremde." (Kleine Schriften, 1, 221).

Aufschlussreich ist auch sein fiktives "Gespräch mit Frau Koch" (1948), vormals Aufseherin im KZ Buchenwald, ein Gespräch, in dem Polgar mit Bitternis die Rehabilitierung der Täter und deren Zynismus nachzeichnet ("Kleine Schriften", 1, 230-233).

Seit 1949 pendelt Polgar regelmäßig zwischen den USA und Europa (Ö, CH, D) und nimmt bestürzt die Kontinuität antisemitisch-nazistischer Ideen/Haltungen wahr. Beklemmend schildert er auch das Wiedersehen mit Wien, das ihn wenigstens zum ersten Preisträger des Preises der Stadt Wien für Publizistik (1951) macht.

Bearbeitet von Karl Müller, Salzburg.

 

Multimedialinks:

Polgar, Alfred zeigen

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Werkverzeichnis:

An den Rand geschrieben (Rowohlt, 1926) zeigen

Anderseits (o.V., 1948) zeigen

Begegnung im Zwielicht (L. Blanvalet, 1951) zeigen

Der Quell des Übels und andere Geschichten (Albert Langen, 1908) zeigen

Geschichten ohne Moral (Oprecht, 1943) zeigen

Hiob (Albert Langen, 1912) zeigen

Ich bin Zeuge (o.V., 1927) zeigen

In der Zwischenzeit (Allert de Lange, 1935) zeigen

Kleine Zeit (Gurlitt, 1919) zeigen

Noch allerlei Theater (Rowohlt, 1926) zeigen

Schwarz auf Weiß (Rowohlt, 1929) zeigen

Sekundenzeiger (Humanitas, 1937) zeigen

Sperrsitz (Löcker, 1980) zeigen

Standpunkte (Rowohlt, 1953) zeigen

Wien, 1. Stallburggasse 2. (Rowohlt, 1982) zeigen

 

Forschungsliteratur:

Bolbecher, Siglinde; Kaiser, Konstantin Lexikon der österreichischen Exilliteratur (2000) zeigen

Kilcher, Andreas B. (Hg.) Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur (Metzler, 2000) zeigen

Weinzierl, Ulrich Alfred Polgar (Löcker, 1985) zeigen

 

Printversion aller Artikel (umfasst etwa 200 Seiten)

  

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