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KAPITEL

1. Biographische Daten und Kontexte
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2. Hilde Spiel - Die hellen und die finsteren Zeiten - Erinnerungen 1911 - 1962
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3. Hilde Spiel - "Der kleine Bub Desidere" - Frühe Erzählungen
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4. Hilde Spiel - "Kati auf der Brücke", 1933
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5. Hilde Spiel - "Fanny von Arnstein oder Die Emanzipation"
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6. Hilde Spiel - "Lisas Zimmer"
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7. Hilde Spiel - "Welche Welt ist meine Welt?"
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8. Hilde Spiel - "Rückkehr nach Wien" - Ein Tagebuch
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9. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Hilde Spiel (1911-1990)


Hilde Spiel (1911-1990) war eine der vielseitigsten Schriftstellerinnen und Essayistinnen des 20. Jahrhunderts, die "Grand Dame der Österreichischen Literatur" (Neue Zürcher Zeitung), deren Werk und Wirken sich auf nahezu alle Genres erstreckte. Ihre intellektuelle und existentielle Biographie steht in enger Korrespondenz zu den großen, dramatischen Ereignissen und Brüchen des 20. Jahrhunderts. Der Glanz des alten Österreich schimmert in vielen Texten durch, vor allem in jenen, die sich mit dem Thema der Assimilation und Integration zugewanderter jüdischer Familien (Arnstein, Eskeles u. a.) in Wien auseinandersetzen und Fragen der Koexistenz und des Antisemitismus nachgehen. Zugleich vermittelt Hilde Spiels Werk die Trauer über den Niedergang bzw. die Exilierung einer Kultur, die in den 20er und frühen 30er Jahren die Autorin tief mitgeprägt hat: die Wiener Moderne in all ihren Facetten von der Literatur über die Musik hin zur Philosophie (Wiener Kreis) sowie die Errungenschaften des "Roten Wien". Schon in ihrem ersten Roman "Kati auf der Brücke" (1931) zeichnete Spiel das individuelle Lebensgefühl der Figuren als mit den großen Fragen der Zeit verknüpft. Sie legt damit einen Text vor, in dem unaufdringlich Möglichkeits- und Handlungsräume ausgelotet, beschritten und verworfen werden.

Wiener Kreis zeigen
Spiel, Hilde zeigen

1936, im selben Jahr wie Stefan Zweig, entschloss sich die inzwischen politisch mit der Linken sympathisierende Autorin gemeinsam mit ihrem späteren Mann Peter de Mendelssohn zur Emigration nach London. Dort fasste sie Fuß als Korrespondentin für Wiener und Prager Zeitungen, arbeitete für die BBC und bald auch für Zeitungen wie den "Daily Express" und "New Statesman" und trat bereits 1937 dem englischen P. E.N.-Klub bei. Bald darauf erschienen ihre ersten Texte in englischer Sprache, z. B. die Erzählung "Spring". Ihre Kontakte zur englischen Literatur- und Kulturszene waren für die nachkommenden österreichischen Exilant/inn/en äußerst hilfreich. Hilde Spiel war bereits eine Instanz, als Autoren wie Elias Canetti, Erich Fried oder Theodor Kramer in London eintrafen. Trotz reger Teilnahme an Diskussionen sowie an kulturellen und politischen Veranstaltungen und Initiativen der Emigrant/inn/en (z. B. Laterndl, Free Austrian Movement u. a.) trat sie selbst keiner Exilorganisation, auch nicht dem deutschen Exil-P.E.N, bei.

Canetti Elias zeigen
Fried, Erich zeigen
Zweig, Stefan zeigen
Zweig, Stefan zeigen
Kramer , Theodor zeigen
Mendelssohn, Peter de zeigen

1946 kehrte sie als Korrespondentin erstmals nach Wien zurück, um wahrnehmen zu müssen, dass die Entfremdung von der geliebten Welt der Kindheit und Jugend tief geworden war. Allseits spürbar war eine offene oder kaum verdeckte Weigerung, das Trauma der Mitschuld aufzuarbeiten, wie das ursprünglich auf englisch verfasste Tagebuch "Eine Rückkehr nach Wien" (1946/1968) dokumentiert. Jahrelang beherrschte die Frage "Welche Welt ist meine Welt?" den weiteren Lebensgang. In den 50er Jahren widmete sich Spiel zahlreichen literarischen Übersetzungen aus der englischen Literatur (W. H. Auden, G. Greene, J. Saunders, T. Stoppard u. a.). Auch vertiefte sich in London die Beziehung zum ebenfalls emigrierten Schriftsteller Hans Flesch-Brunningen, den sie 1971 heiratete. Zuvor legte sie einen der bedeutendsten Exilromane vor, "The Darkened Room" (1961), der 1965 erstmals auf Deutsch, "Lisas Zimmer", erschien und kehrte 1963, nach erfolgter Scheidung und als Korrespondentin der FAZ, nach Wien zurück.

Spiel, Hilde: Tagebuch 1946 zeigen
Spiel, Hilde: Auszug aus ihrem Tagebuch 1946 zeigen
Flesch-Brunningen, Hans zeigen

Wieder in Wien engagierte sie sich im P.E.N., war dessen Generalsekretärin bis 1971, wurde 1972 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Darmstadt), betreute beim Verlag Kindler den Band zur österreichischen Gegenwartsliteratur seit 1945 (1975), betätigte sich als Mitbegründerin der IG Autoren, trat 1980 der Grazer Autorenversammlung bei und legte eine Reihe von brillanten und kritischen Essays zur österreichischen Kultur und Literatur vor, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde (u. a. 1979 Preis der Stadt Wien für Publizistik, 1986 E. R. Curtius-Preis für Essayistik und 1988 Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie). In den 80er Jahren engagierte sich Hilde Spiel zunehmend für Autor/inn/en des Exils, war Mitbegründerin der Theodor-Kramer-Gesellschaft und erwies Jura Soyfer in dem Stück "Anna und Anna" (1989) ihre Reverenz.

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