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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Deutschland 1933: Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
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3. Österreich zwischen 1933 und 1938 als Asyl- und Transitland
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4. Rechtliche Grundlagen des Asyl- und Fremdenrechts in Österreich zwischen 1933 und 1938
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5. Zur Asylpraxis nach 1933
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6. Fremdengesetz gegen deutsche Flüchtlinge 1935-1938
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7. Deutsche Schriftsteller/innen im österreichischen Exil
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8. Verlage
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9. Carl Zuckmayer
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10. August Hermann Zeiz
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11. Hubertus Prinz zu Löwenstein und der Aufbau der "American Guild for German Cultural Freedom"
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12. Theater und Film
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Das Exilland Österreich zwischen 1933 und 1938


"Immer mehr von der Idee besessen, ich müsse in ein deutschsprachiges Land, wandte ich mich nach Wien." (Bermann-Fischer 1994, 150)

So knapp begründet der Verleger Gottfried Bermann-Fischer nach der "Arisierung" seines Verlages und der Weiterführung durch Peter Suhrkamp, seinen Beweggrund, Österreich als Exilland zu wählen. Und beantwortet damit zugleich eine der vielen Fragen, die sich angesichts der politischen Situation in Österreich zwischen 1933 und 1938 stellen: warum das von einem klerikalen, autoritären Regime regierte Österreich überhaupt als Exilland in Frage kam. Nicht nur für einen Mann wie Bermann-Fischer, der als Verleger in besonderer Weise von der deutschen Sprache, oder vielmehr von der in dieser Sprache produzierten Literatur abhängig war, sondern für eine Vielzahl von Schriftstellern, Journalisten, aber auch Theaterkünstlern war die Angst vor dem drohenden Sprachverlust und der damit einhergehenden Existenzgefährdung im Fall des Exils in einem nichtdeutschsprachigen Land evident. Gleichzeitig eröffnet dieses Zitat auch eine andere Dimension dieses Entschlusses: angesichts der Tatsache, dass man sein Überleben mit der Aufgabe seiner Existenz, aber auch mit dem damit verbundenen Verlust der Heimat, vertrauter Dinge usw. bezahlen musste, erschien Österreich trotz der unsicheren politischen Situation als einigermaßen erträgliche Alternative, da hier so etwas wie ein heimatliches Gefühl aufkam, das allerdings mehr als trügerisch war. Aber nicht immer entschieden alleine Vernunftgründe für ein Exilland. Und bedeutete ein solcher Entschluss nicht auch Hoffnung? Hoffnung, angesichts der geographischen Nähe, berufliche und private Kontakte leichter aufrechterhalten zu können? Hoffnung, dass es sich beim Nationalsozialismus um ein vorübergehendes Phänomen handeln könnte, eine Rückkehr daher also leichter und schneller zu bewerkstelligen wäre?

Wie wir aus vielen schriftlichen Zeugnissen, man denke dabei nur an Carl Zuckmayer und dessen wirklich im allerletzten Moment erfolgte Flucht aus dem trügerisch-idyllischen Henndorf nahe der deutschen Grenze, wissen, sind solche Gedankengänge nicht zu unterschätzen. Diese Überlegungen sind mögliche Antworten auf die Frage, warum sich, zahlenmäßig - angesichts einer gewaltigen Fluchtwelle von ungefähr 400.000 Menschen aus Deutschland - zwar nur eine geringe Anzahl, aber doch etliche Menschen für Österreich als vorübergehendes Exilland entschieden haben. Und damit gilt es einer in der einschlägigen Forschung noch immer geübten Praxis entgegenzutreten, die Österreich in seiner Funktion als Exilland überhaupt zu unterschlagen pflegt. Mit der vergleichsweise geringen Zahl an Exilanten ist dieser blinde Fleck wohl kaum hinreichend zu erklären, mit dem oft mangelhaften Unterscheidungsvermögen vieler, vorzugsweise deutscher Exilforscher, zwischen deutschem und österreichischem kulturellen Leben schon eher. Fest steht, Österreich war, wenn auch für eine relativ kurze Zeit, von 1933 bis 1938, ein wichtiges Exilland, das überdies von den Flüchtlingen in vielfältiger Weise bereichert und beeinflusst worden ist. Einigen Spuren dieser Menschen auf dem Gebiet der Literatur und des Theaters nachzugehen, soll im folgenden unternommen werden.

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