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KAPITEL

1. Klassisches Exilland - Mythos und Realität
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2. Zur Asylpolitik der Schweiz
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3. "Das Boot ist voll". Maßnahmen gegen unerwünschte Flüchtlinge
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4. Asylgewährung
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5. Hilfsorganisationen
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6. Die Internierung von Flüchtlingen
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7. Paul Grüninger
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8. Österreichische Exilantinnen und Exilanten in der Schweiz
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9. Transitland Schweiz
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10. Vom Leben im Schweizer Exil
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11. Das Zürcher Schauspielhaus
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12. Rückkehr
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Exilland Schweiz


Nur für wenige sollte die Schweiz zu einem dauerhaften Exilland werden. Zu ihnen gehörte Hans Weigel, der im März 1938 zu Fuß über Konstanz in die Schweiz gelangt war. Er hielt sich zuerst in Zürich auf und lebte dann von 1939 bis 1945 in Basel. Auch er hatte Arbeitsverbot und wurde zum Arbeitsdienst herangezogen. Unter Pseudonym konnte Weigel Beiträge für das schweizerische satirische Wochenblatt "Nebelspalter" und für das Kabarett "Kaktus" verfassen. Darüber hinaus bearbeitete er Goldoni- und Nestroystücke, die in Zürich, Bern und Basel gespielt wurden. 1943 wurde sein Roman "Der grüne Stern" in gekürzter Form in der "Basler Arbeiterzeitung" abgedruckt, mit der Auflage des SSV, dass das Werk in keinem in- oder ausländischen Verlag erscheinen dürfe.

Der erst achtzehnjährige Florian Kalbeck (Sohn des ebenfalls in die Schweiz emigrierten Schauspielers und späteren Leiters des Stadttheaters Bern Paul Kalbeck) gelangte im November 1938 mit einem Studentenvisum nach Basel. Eigentlich hatte er vorgehabt, an die Universität Liverpool zu gehen, er verfügte bereits über einen Studienplatz, durch den Ausbruch des Krieges war dies nicht mehr möglich und er blieb in der Schweiz. Kalbeck studierte an der Universität Basel Philosophie, Psychologie und Germanistik. Er wurde durch das Genfer Internationale Studentenhilfswerk unterstützt. 1940 erschienen sechs Gedichte von ihm in der Anthologie "Gedichte" im Basler "Turmverlag".

Unerlaubterweise schrieb er unter einem Pseudonym für Zeitungen, 1942 kam es zur Aufführung von "Der arme Schammes" im "Pawlatschentheater für Emigranten" in Lugano. Im Vergleich zu anderen Exilanten wurde er aufgrund seines Status als Student zwar zuvorkommend behandelt, dennoch war auch er zeitweilig in Arbeitslagern interniert und musste in den Sommerferien der Verpflichtung zum Arbeitsdienst nachkommen. Kalbeck war Präsident des von ihm gegründeten Vereins österreichischer Studenten in Basel und gehörte der in der Schweiz erst 1945 erlaubten Freien österreichischen Bewegung an. 1947 schloss er sein Studium in der Schweiz ab.

Kalbeck, Florian (1982) zeigen

Der gebürtige Berliner Thomas Sessler, der 1935 zuerst nach Prag, dann über die grüne Grenze nach Wien geflohen war und dort als Verlagsangestellter, Journalist und Schauspieler gearbeitet hatte, kam 1938 nach Zürich. Thomas Sessler, der in Berlin im Rahmen der illegalen Widerstandstätigkeit der KPD gegen die Nazis aktiv gewesen war, setzte diese Widerstandstätigkeit auch in der Schweiz fort. (Nach dem deutsch-sowjetischen Pakt distanzierte er sich 1939 von der KPD). Der von Thomas Sessler gegründete "Neue Bühnenverlag" in Zürich war zugleich Anlaufstelle für Exilanten und Zentrum getarnter Widerstandsaktivitäten. Sessler versuchte gemeinsam mit Hans Hollitscher die illegale Zeitung "Der freie Österreicher" nach Österreich zu schmuggeln und baute Verbindungen zum österreichischen Widerstand auf. Sein Vater, der Schriftsteller und Schauspieler August Hermann Zeiz (Thomas Sessler wurde als Gabriel Peter Hanno Zeiz geboren und erwarb seinen späteren Namen durch Adoption) errichtete 1939 in Wien eine illegale "Zentralstelle für den alliierten Nachrichtendienst", dessen Schweizer Zweigstelle von seinem Sohn Thomas geleitet wurde. Thomas Sessler hielt den Kontakt zum amerikanischen Geheimdienst in der Schweiz aufrecht. Diese Kontakte hatte ihm Robert Jungk vermittelt. Nachdem seine Aktivitäten bei den Schweizer Behörden denunziert worden waren, verlor Thomas Sessler seine Arbeitsgenehmigung, wurde interniert und schließlich 1944 verhaftet. Er brach aus dem Polizeigefängnis aus, wurde vom amerikanischen Office of Strategic Studies (OSS) nach Frankreich geschmuggelt und als Special Agent eingesetzt.

Ein Einblick in die Situation des Exils und in die verzweifelten Versuche, sich in den chaotischen neuen Lebensumständen zurechtzufinden, lässt sich aus Briefen von und an Eugenie Schwarzwald gewinnen. Eugenie Schwarzwald, die engagierte Gründerin der gleichnamigen Schule in Wien, die sich stets für andere eingesetzt hatte - die verschiedenen von ihr gegründeten Wohlfahrtseinrichtungen zeugen davon - musste im Alter von 66 Jahren alles aufgeben und Wien verlassen. (Briefe und Anmerkungen in folgenden zitiert nach: Siglinde Bolbecher in: MdZ 1/97, 15-17)

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