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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Zur Situation der Theaterschaffenden in Österreich nach dem "Anschluss" - Wege ins Exil
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3. Überblick
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4. Österreichisches Exiltheater in Großbritannien
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5. BBC
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6. Das österreichische Exiltheater in den USA
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7. Hollywood
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8. Anhang
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Ulrike Oedl:
Theater im Exil - Österreichisches Exiltheater


In der einschlägigen Forschung (Hans/Brauneck 1986, 313) geht man davon aus, dass ungefähr 4.000 deutschsprachige Theaterschaffende ins Exil getrieben wurden, sie erarbeiteten über 800 Inszenierungen in mehr als 40 Asylländern. Diese beeindruckende Zahl darf jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass hierbei auch die zahlreichen Amateur- und Leseaufführungen berücksichtigt sind, die Zahl derer, die ihren Theaterberuf auch unter den Bedingungen des Exils weiterhin tatsächlich als Brotberuf ausüben konnten, war äußerst gering. Den wenigsten gelang es, in ihrem Exilland dauerhaft als Theaterschaffende Fuß zu fassen, "Eingang in die dortige Szene" zu finden - und auch in den Biographien der "Erfolgreichen" gibt es enorme existentielle Brüche (z. B. Max Reinhardt, Berthold Viertel). Die Exilwege der Theaterschaffenden unterschieden sich zunächst nicht gravierend von denen der übrigen österreichischen Flüchtlinge. Zwar gab es gewisse Orte, kulturelle Zentren, Großstädte mit westlicher Prägung zumeist, die aufgrund ihrer größeren Möglichkeiten dort Arbeit im angestammten Beruf zu finden, erstrebenswerter waren als andere und wo sicherlich die meisten Kulturschaffenden hinstrebten. Doch nicht allen gelang die Flucht nach London, Zürich, New York oder Hollywood, etliche verschlug es nach Shanghai, Lateinamerika, Australien, Indien. Und auch dort, wenn zwar unter teilweise noch schwierigeren Bedingungen als in den Kulturmetropolen westlicher Prägung, gab es das Bestreben im bisherigen Beruf weiterzuarbeiten.

Viertel, Berthold zeigen

Waren die Rahmenbedingungen im austrofaschistischen Österreich schon äußerst fragil, so änderte das Exil die Lebens- und Arbeitsbedingungen radikal. Außer in der Schweiz und zunächst noch in den deutschsprachigen Gebieten der CSR hatten die Schauspieler und Schriftsteller vor allem mit dem Verlust der vertrauten Sprache als wichtigem Instrumentarium ihrer Kunst fertig zu werden, die Chancen in einer ihnen fremden Sprache reüssieren zu können, standen denkbar schlecht. Darüber hinaus sind den Schauspielern, die mehr noch als andere Theaterleute auf einen komplizierten Apparat angewiesen sind, ihre Theater und ihr Publikum verloren gegangen. An Schauspielern mit Akzent war man, abgesehen von ein paar Nebenrollen in Hollywood, wo man den "bad german guy" geben konnte, nicht interessiert. Prominenz und Beliebtheit, die man im eigenen Land genossen haben mochte, zählten nun ebenfalls nicht mehr, man war auf den Status eines "Anfängers" zurückgeworfen. Eine Ausnahme war hier sicherlich die in Wien geborene Schauspielerin Elisabeth Bergner, die mit ihrem Mann, dem Regisseur Paul Czinner, 1934 nach Großbritannien emigrierte und mit eiserner Disziplin ein akzentfreies Beherrschen, mit Untertext und Zwischentönen, der englischen Sprache erlernte, sie konnte ihre Karriere auf einem relativ hohem Niveau beim Film fortsetzen(Unsere schwarze Rose/Elisabeth Bergner 1993).

Czinner, Paul zeigen
Czinner, Paul zeigen
Czinner, Paul zeigen
Bergner, Elisabeth zeigen
Bergner, Elisabeth zeigen
Bergner, Elisabeth zeigen
Bergner, Elisabeth zeigen

Diese voraussehbaren Schwierigkeiten der Berufsausübung im Exil, sowie die besondere Theaterpolitik der Nationalsozialisten, die bei manchen die Hoffnung auf ein Theater als ideologiefernen Raum nährte, machen begreiflich, dass sich Schauspieler, im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, erst relativ spät zur Flucht entschließen konnten. Die besten Möglichkeiten, was die kulturelle Integration in ein fremdsprachiges Exilland betrifft, bot, wie in der Folge noch zu zeigen sein wird, der Film.

Der weitaus überwiegende Teil von Theateraktivitäten im Exil fand außerhalb der kulturellen Strukturen der jeweiligen Asylländer innerhalb einer sich herausbildenden deutschsprachigen Subkultur statt. Mit der Gründung von eigenen Exilantenensembles bzw. -theatern konnten, wohl unter enormen Anstrengungen, zumindest die eigenen Vorstellungen von Theaterarbeit fortgesetzt oder verwirklicht werden. Auch das Publikum bestand hauptsächlich aus Emigranten, für die man in der vertrauten Sprache spielte. Die durchaus heterogenen Ansprüche dieses Publikums verlangten den Theatermachern so manchen Balanceakt zwischen politischer Aufklärung einerseits und dem Bedürfnis nach bloßer Unterhaltung andererseits ab. Diese Gruppierungen hatten meist auch eine enorme Bedeutung für die Exilorganisationen in den jeweiligen Ländern oder standen zumindest in irgendeinen Zusammenhang damit (z. B. "Laterndl", London).

Laterndl, Das zeigen

Sucht man nach einer dominierenden Form des Exiltheaters, so ließe sich vielleicht das Kabarett nennen. Die kleine Form bot vielerlei Möglichkeiten, sie bedurfte einer geringen institutionellen Verankerung, eignete sich für den satirischen Angriff auf den Nationalsozialismus, machte die Programmerstellung variabel, das schnelle Reagieren auf die aktuelle Situation möglich. Kabarett und Kleinkunst hatten namentlich in Österreich eine hervorragende Qualität, bedeutende Schauspieler und Autoren hatten zudem bereits unter den Bedingungen der austrofaschistischen Diktatur eine politisch und literarisch hochstehende Kleinkunst geschaffen, die mit dem "Mittelstück" den Sprung zum Drama erreicht hatte. Die zahlreichen ins Exil getriebenen Akteure der Wiener Kleinkunst und des Wiener Kabaretts setzten ihre Aktivitäten unter schwierigsten Bedingungen fort. Karl Farkas bildete 1939 mit Franz Engel, Erwin Saldern und Fred Berger in Paris die Truppe "Vienne à Paris", gespielt wurde das Programm "Paris, alles Aussteigen!!!". Im Internierungscamp Meslay du Maine gestaltete Farkas für seine Mitgefangenen das Programm "Meslay lacht wieder", das Bühnenbild gestaltete Heinrich Sussmann (Patka 2001, 73). Unzählige Kleinkunst-Veranstaltungen von exilierten Theaterleuten fanden in Shanghai statt. Als Orte wurden Kaffeehäuser, Versammlungssäle oder Kinobühnen gewählt. Das Spektrum umfasste sowohl das literarisch-satirische Programm als auch den Heurigen-Abend, der "ein Stück Grinzing nach Shanghai" bringen sollte und "Tanz - Musik - Stimmung - Wein - Bowle" brachte.

Sussmann, Heinrich zeigen
The Palm-Garden: Ein Stück Grinzing nach Shanghai gebracht! zeigen

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