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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Zur Situation der Theaterschaffenden in Österreich nach dem "Anschluss" - Wege ins Exil
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3. Überblick
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4. Österreichisches Exiltheater in Großbritannien
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5. BBC
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6. Das österreichische Exiltheater in den USA
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7. Hollywood
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8. Anhang
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Ulrike Oedl:
Theater im Exil - Österreichisches Exiltheater


Mit dem Einmarsch in Österreich und der Okkupation der Tschechoslowakei durch Hitler-Deutschland 1938/39, aber vor allem durch die "Reichskristallnacht" vom 9. zum 10. November 1938, kam es zu einem Anstieg der Flüchtlingszahlen in Großbritannien. Die bis dahin betriebene Appeasementpolitik musste als gescheitert angesehen werden, auf Druck der Öffentlichkeit kam es zur Lockerung der Einreisebedingungen für Emigranten - bis 1938 mussten das Vorhandensein finanzieller Mittel oder die Einladung einer prominenten britischen Persönlichkeit vorgewiesen werden, was natürlich nur auf wenige zutraf. Verglichen mit anderen Ländern, etwa der Schweiz, ist aber die britische Einwanderungspolitik in den Jahren 1938 bis 1939 als großzügig zu bewerten. Über das genaue Ausmaß der Gesamtemigration aus Österreich liegen keine präzisen Zahlen vor, sie liegen um 30.000. (Österreicher im Exil 1992, 8) 90% von ihnen waren jüdischer Herkunft. Bis 1938 gab es wenig deutschsprachige Theateremigranten, es dürften kaum mehr als hundert gewesen sein, darunter viele Prominente wie Elisabeth Bergner, Oskar Homolka, Fritz Kortner, Lucie Mannheim, Grete Mosheim, Conrad Veidt, für die England oft nur eine Zwischenstation darstellte. Sie waren hauptsächlich in den Londoner Westend-Theatern und beim Film beschäftigt und wurden so in das englische Theatersystem integriert.

Der damaligen Asylpolitik entsprechend, war es für sie leichter, eine Einreiseerlaubnis zu erhalten. Der größte Teil der Theaterleute emigrierte in den Jahren 1938/39, meist über die Tschechoslowakei und Österreich nach England. Schätzungen belaufen sich auf etwa vierhundert Berufs- und Laienkünstler, ihre Anzahl war somit höher als in anderen europäischen Asylländern (Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1981, 168). Etwa 30 bis 40 davon konnten im britischen Theater Fuß fassen (Ritchie/Trapp 1999, 343) , die übrigen kämpften meist mit großen existentiellen Sorgen. Durch die britischen Arbeitsbestimmungen - eine Arbeitserlaubnis wurde nur dann erteilt, wenn diese Stelle mit keinem britischen Staatsbürger zu besetzen war - hatten die meisten Emigranten, abgesehen von ihren sonstigen Problemen und Ängsten, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Für Frauen war es etwas einfacher, Arbeit zu bekommen, sie konnten als Haushaltsgehilfinnen in britischen Haushalten unterkommen. Voraussetzung für eine Aufenthaltserlaubnis war ein Beschäftigungsnachweis. Wie strikt das dafür zuständige Home Office dies handhabte, zeigt sich am Beispiel Berthold Viertels, der zwischen Ende 1933 und 1934 mehrere Filme ("Little Friend", "The Passing of the Third Floor Back", "Rhodes of Africa") für Gaumont British drehte, 1938 wurde dem inzwischen Staatenlosen die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert. Viele waren von den Unterstützungsgeldern der verschiedenen Flüchtlingsorganisationen abhängig. Golders Green, Hampstead, Paddington, Swiss Green, traditionell jüdische Viertel Londons, wurden zu bevorzugten Wohngebieten der Emigranten.

Viertel, Berthold zeigen

Die Gründung der österreichischen Exilorganisation "Austrian Centre" (AC) im März 1939 war eine wichtige Voraussetzung zur Entstehung eines österreichischen Exiltheaters. Das AC war genauso wie der Freie Deutsche Kulturbund (FDKB) natürlich weit mehr als nur eine kulturelle Vereinigung, als die sie sich nach außen hin, mit Rücksicht auf das geltende Verbot jeglicher politischer Betätigung, präsentierte. Dem Vorstand dieser überparteilichen Interessensvertretung gehörten Paul Knepler, Oskar Kokoschka, Anna Mahler an, Sigmund Freud war bis zu seinem Tod (1939) Ehrenpräsident.

Austrian Centre zeigen
Austrian Centre zeigen
Austrian Centre zeigen
Hertz, Friedrich zeigen
Hertz, Friedrich zeigen

"Die kulturelle Aufgabe des Austrian Center wird darin gesehen, einerseits 'das Beste aus dem Kulturleben der Heimat in ein neues Österreich hinüberzuretten', andererseits 'das kulturelle Leben ... (des) Gastlandes kennen- und verstehenzulernen'." (Bolbecher/Kaiser/McLaughlin/Ritchie 1995, 357)

Aufgrund der spezifischen Deutschland-Politik Großbritanniens nach 1938 überwogen die österreichischen Emigranten gegenüber deutschen, was die zahlenmäßige Stärke und die öffentliche Wirkung des AC erklärt (Ritchie/Trapp 1999, 342. Das als englischer Klub geführte AC, entwickelte sich rasch zu einem kulturellen Treffpunkt der Österreicher, bereits Mitte 1939 hatte es 1500 Mitglieder. Im März 1939 wandten sich die Schauspieler Fritz Schrecker, Franz Hartl/Bönsch und Franz Schulz an die Leitung des AC mit dem Vorschlag, eine österreichische Exilbühne "Das Laterndl" zu gründen. Erna Wipplinger erklärt die Wahl des Namens "Laterndl" aus dem Zusammenhang von Funktion und Aufgaben: "Licht in diesen dunklen Tagen zu spenden, d. h. den Emigranten Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln." (Wipplinger 1984, 31) Das AC unterstützte dieses Vorhaben tatkräftig, zum Sekretär wurde der Schriftsteller Albert Fuchs gewählt, administrative Hilfe kam von Willi Scholz, dem Generalsekretär des AC, das neben finanzieller Unterstützung auch Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Mit der Gründung des "Laterndl" als "österreichische Bühne" war bewusst eine Programmatik verbunden. Man grenzte sich damit von den Theateraktivitäten des "Freien Deutschen Kulturbundes" ab.

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