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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Zur Situation der Theaterschaffenden in Österreich nach dem "Anschluss" - Wege ins Exil
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3. Überblick
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4. Österreichisches Exiltheater in Großbritannien
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5. BBC
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6. Das österreichische Exiltheater in den USA
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7. Hollywood
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8. Anhang
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Ulrike Oedl:
Theater im Exil - Österreichisches Exiltheater


Eine große Zahl von Theaterleuten fand bei den deutschsprachigen Theatersendungen der BBC Arbeit als Sprecher und Übersetzer. Erstmals spielte der Rundfunk während eines Krieges eine bedeutende Rolle, mit diesem Medium war es relativ einfach, die eigene Bevölkerung flächendeckend zu informieren und zu beeinflussen. Doch der Rundfunk war nicht nur Propagandainstrument der Nazis, sondern hatte eine wichtige Funktion als Aufklärungsinstrument, das von außerhalb des Reiches arbeitenden Künstlern und Journalisten genützt wurde. Ende September 1938 begann die BBC (British Broadcasting Corporation) mit ihren europäischen Diensten, Auftakt war eine in mehreren Sprachen gesendete Ansprache des damaligen Premierministers Chamberlain. Bald jedoch wurde der Deutsche Dienst der BBC auf mehrere Stunden Sendezeit täglich ausgebaut und blieb während des gesamten Krieges ein wichtiges Instrument zur psychologischen Kriegsführung. Für die exilierten Künstler war diese Arbeit eine einmalige Chance, sie hatten Kontakte mit anderen Emigranten, die Möglichkeit zu antifaschistischer Arbeit und eine Einkunftsquelle.

"Für die Emigranten aus Wien war die Kantine eine Art Gegenstück zum Cafe Central oder Herrenhof, für die Berliner ein Ersatz für das Romanische Cafe. Hier fand man den Wiener Dramatiker Richard Duschinsky, Richard Friedenthal, berühmte Schauspieler wie Lucie Mannheim, Sybille Binder, Walter Rilla und Hans Wengraf vom Burgtheater, den Berliner Revue-Komponisten Mischa Spoliansky, den Lehár-Librettisten Paul Knepler, den österreichischen Regisseur und Dichter Berthold Viertel, den UFA-Filmregisseur Fritz Wendhausen (...)." (Naumann 1983, 123: Robert Lucas 1978)

Friedenthal, Richard zeigen

Neben den Nachrichten und politischen Kommentaren waren es vor allem die Sendefolgen, die den Erfolg der BBC-Programme prägten. Generell hatten die Emigranten kaum Möglichkeiten, Einfluss auf den Inhalt der politischen Kommentare zu nehmen, was sich aus der Programmlinie der BBC, ihrer Verpflichtung zu Objektivität, erklären lässt. Mehr gestalterische Freiheit war im Bereich der Features, der Satire möglich. Obwohl im Deutschen Reich das Abhören von "Feindsendern" eine lebensgefährliche Angelegenheit war und als "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit (des) Volkes" mit schweren Zuchthausstrafen geahndet wurde (Naumann 1984, 195), stieg die Zahl der heimlichen Hörer kontinuierlich an. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich die satirischen Programme. In den nur wenige Minuten dauernden Sendungen traten immer die gleichen, den Stammhörern vertraute Figuren auf, die sich über die Lage in Deutschland und der Welt äußerten. Drei der beliebtesten Sendefolgen wurden fast während des ganzen Krieges über gesendet. Bruno Adler, unter dem Pseudonym Urban Roedl ein bekannter Stifterforscher, war der Erfinder der "Frau Wernicke". die im Frauenprogramm des Deutschen Dienstes zwischen dem Sommer 1940 und Jänner 1944 gesendet wurde. Frau Wernicke, gesprochen von der Berliner Schauspielerin Annemarie Hase, war eine Berliner Kleinbürgerin, die mit einem losen Mundwerk und gesundem Menschenverstand ausgestattet, die Nazis lächerlich machte. "Kurt und Willi" schrieb Adler gemeinsam mit dem englischen Lyriker Norman Cameron. Diese Serien gingen hauptsächlich vom Alltag der deutschen Zivilbevölkerung aus, anders hingegen die Serie "Briefe des Gefreiten Hirnschal". Hier berichtet der einfache und streng führergläubige Landser Adolf Hirnschal (Sprecher: Fritz Schrecker) seiner Frau Amalia in Briefen von der Front.

Schrecker, Fritz zeigen

Ihr Autor, der Wiener und ausgebildete Chemiker Robert Lucas (1904-1984, eigentlich: Robert Ehrenzweig), war in Wien bereits als Leiter und Autor des der Sozialdemokratie nahestehenden "Politischen Kabaretts" (1928-1934; Doll 1926-1933) hervorgetreten, war Anfang der 30er Jahre Redakteur des "Vorwärts"-Verlages, 1932/33 Herausgeber der "Politischen Bühne". Im April 1934 floh er, Sozialist und Jude, nach London, wo er zunächst als Korrespondent für die "Neue Freie Presse" arbeitete, von 1938-1967 war er Mitarbeiter des German Service der BBC. Von Weihnachten 1940 bis 1945 war er Autor der über 100 Hirnschal-Briefe, die im letzten Kriegsjahr, britischen Schätzungen zufolge, etwa 10 Millionen regelmäßige Hörer zu verzeichnen hat. Vorbild der Hirnschal Figur war die schon in Wien für das "Politische Kabarett" entwickelte Hirnschal-Figur und Jaroslav Haseks braver Soldat "Schwejk". Gerade mit seiner vorgeblichen Einfalt, mit der er den Nazi-Alltag beschreibt, demaskiert er die nationalsozialistische Propaganda und eben das mag die ungeheure Popularität Hirnschals erklären, denn er richtet sich nicht direkt gegen die Nazis, ruft auch nicht zu politischen Widerstand auf, aber er fungiert als stabilisierendes Sprachrohr für den wachsenden Unmut des kleinen Mannes.

Lucas, Robert: Teure Amalie, vielgeliebetes Weib! zeigen
Hasek, Jaroslav zeigen
Hasek, Jaroslav zeigen

Bis zum März 1943 gab es keinen eigenen Österreichischen Dienst bei der BBC, ab 1941 gab es zwar einzelne Österreich-Sendungen, die sich allerdings nur im Dialekt, nicht jedoch in den politischen Inhalten von den übrigen deutschen Sendungen unterschieden. Die Gründe dafür lagen in der unentschiedenen Haltung der britischen Regierung in der österreichischen Frage, erst mit der Moskauer Deklaration wurde die Voraussetzung für einen eigenen Österreichischen Dienst geschaffen. Programmleiter war Patrick Smith, neben rund einem Dutzend fest angestellter Österreicher arbeiteten noch zwischen zwanzig und dreißig Emigranten freiberuflich, darunter auch die Schriftsteller Hans Flesch-Brunningen, Robert Neumann, Bruno Adler, Robert Lucas, Edmund Wolf. Wie auch im Deutschen Dienst, war man auch hier mit satirischen Sendefolgen sehr erfolgreich. Martin Esslin entwickelte eine Sendereihe, in der einander widersprechende Aussagen Hitlers und anderer Nationalsozialisten gegenübergestellt wurden, beliebt waren auch Hitlerparodien. Damit erwarb sich der auch für das "Laterndl" aktive Schauspieler und Regisseur Martin Miller einen gewissen Ruf. Ebenso beliebt waren die Sendefolgen von Richard Duschinsky "Pacher und Pachulke", "Frau Schiernagl" oder "Der Alois mit dem grünen Hut" von Richard Wiener und "Die Kartenstelle" mit Fritz Schrecker und Martin Miller. (Österreicher im Exil. Großbritannien, 549 ff.)

Neumann, Robert zeigen
Moskauer Deklaration zeigen
Adler, Bruno zeigen
Flesch-Brunningen, Hans zeigen
Londoner Exil zeigen

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