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KAPITEL

1. Hermynia Zur Mühlen
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2. Ewiges Schattenspiel
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3. Als der Fremde kam
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4. Reise durch ein Leben
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5. Unsere Töchter die Nazinen
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6. Die Übersetzertätigkeit von Hermynia Zur Mühlen
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7. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Hermynia Zur Mühlen (1883-1952)


Hermynia Zur Mühlen wuchs vielsprachig auf, und das Englische war ihr ebenso vertraut wie das Deutsche, das Französische oder das Russische. In ihrer Jugend lernte sie auch Spanisch und ein wenig Arabisch. (Altner 1997, 35) Nach ihrer Scheidung vom baltischen Gutsbesitzer Viktor von zur Mühlen begann sie um 1917 Romane zu übersetzen, um sich ihren Lebensunterhalt zu sichern. Der Roman "Unter dem Joch des Krieges" von Leonid Nikolajew Andrejew erschien 1918 in der von René Schickele betreuten "Europäischen Bibliothek". (Altner 1997, 57)

Insgesamt übersetzte sie mehr als 200 Romane und Erzählungen aus dem Russischen, Amerikanischen, Englischen und Französischen, 50 davon im englischen Exil. Zu den Autoren gehörten u. a. Upton Sinclair, den sie für den deutschsprachigen Raum entdeckte, Henri Guilbeaux, Jerome K. Jerome, Nathan Asch, John Galsworthy und H. S. Walpole. (vgl. Frakele 1992, 210)

Hermynia Zur Mühlen wählte die Werke, aber auch die Verlage, u. a. nach ihrem ideologischen Gehalt aus und wies mehrmals Aufträge zurück, weil die Texte und die Autoren ihren sozialistischen und kommunistischen Vorstellungen nicht genügten. So schlug sie ein finanziell verlockendes Angebot des Kurt-Wolff-Verlages aus und gab die Übersetzung des Sinclair Romans 100 Prozent an den Malik-Verlag. Der von Wieland Herzfelde geleitete Verlag bemühte sich um die Verbreitung kommunistischer Literatur. Für den Verlag war Upton Sinclair ein Glücksfall, denn der Autor erreicht im Deutschland der Zwischenkriegszeit große Popularität und seine Werke wurden zu Bestsellern. Hermynia Zur Mühlens Anteil an diesem Erfolg ist kaum zu überschätzen. Sie war die erste Übersetzerin Sinclairs und von den 32 Titeln die bis 1938 im Malik-Verlag von Sinclair erschienen, übersetzte sie 24. Weiters war sie die Initiatorin der Werkausgabe, die 73 Auflagen erlebte. Weitere Werke wurden unter anderem von Elias Canetti und dem Wiener Paul Baudisch, der 1941 in seinem schwedischen Exil Hemingways "Wem die Stunde schlägt" übertrug, übersetzt. (Altner 1997, 71 ff.)

Canetti, Elias zeigen
Canetti, Elias zeigen
Canetti, Elias zeigen

Beinahe zum Bruch zwischen Zur Mühlen, Sinclair und dem Malik Verlag kam es im Zusammenhang mit der Übersetzung des Romans "Boston". Upton Sinclair schreibt in einem Brief vom 9. Dezember 1927 an Hermynia Zur Mühlen, dass ihm einerseits zu Ohren gekommen sei, dass ihre Übersetzungen seiner Bücher nicht adäquat sei, und so der Einfluss seiner Romane im deutschsprachigen Raum gemindert werde, und andererseits, dass er eine Kopie des Manuskriptes des neuen Romans direkt an den Malik Verlag schicke, damit dieser sich um eine Serienveröffentlichung kümmern könnten. (vgl. Grünzweig 1992, 346-350)

Zur Mühlen fühlte sich hintergangen und war von Sinclairs Haltung enttäuscht, aber auch von Herzfelde, der sich selbst als Sinclair-Übersetzer profilieren wollte, hatte sie sich anderes erwartet. Der Malik Verlag hatte mittlerweile den Besitzer gewechselt und Herzfelde war zwar nur noch Angestellter des Verlags, immerhin aber auch Aufsichtsratmitglied. Hermynia Zur Mühlen wirft dem Verlag vor, die Propaganda zu Gunsten des Kommerzes zu verraten. Die Schwierigkeiten hatten sich schon bei Sinclairs Roman "Petroleum" abgezeichnet und schrittweise verstärkt. Der Verlag monierte immer wieder ideologische Stellen und drängte auf deren Streichung. Zur Mühlen setzte sich zur Wehr und beklagte sich darüber bei Sinclair. Beim nächsten Roman, "Der Sündenlohn", wurde Hermynia Zur Mühlen vom Malik-Verlag ausgebootet, ohne dass Sinclair dagegen Einspruch erhob. Zur Mühlen versucht gegen den Malik-Verlag vorzugehen, und die Angelegenheit vor das Schiedsgericht des Schriftstellerverbandes zu bringen. Soweit kam es aber nicht. Absurderweise bot der Malik-Verlag Zur Mühlen die Übersetzung von "Boston" zur Korrektur an, was sie empört zurückwies, da man sie vorher bezichtigt hatte, sie sei nicht in der Lage, das Werk adäquat zu übersetzen. Mit diesen Querelen endete Zur Mühlens Übersetzertätigkeit für den Malik-Verlag. Das Verhältnis zu Upton Sinclair kühlte merklich ab, ohne jedoch vollständig abzubrechen.

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