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KAPITEL

1. Australien
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2. "Österreichisches" Exiltheater und -kabarett
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3. Frühe Reaktionen (1941-1950)
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4. Hochblüte (1950-1960)
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5. Sprach- und Identitätswechsel (1957-1973)
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6. Anhang
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Birgit Lang:
"The Earnestness of being Importer." "Österreichisches" Theater und Kabarett im australischen Exil


Zu Beginn der dreißiger Jahre war Australien in Europa durch seine eigentümliche Tierwelt und seine "Ureinwohner" bekannt. Mit wenigen Ausnahmen war das Bild vom fernen Kontinent ein exotisches. Auswanderungswünsche hegte in den zwanziger Jahren kaum jemand. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung, besonders nach der Annexion Österreichs im Jahre 1938 und dem Novemberpogrom, änderte sich die Situation nachhaltig. Australien war - wie jedes andere noch so ferne Land auch -zu einem begehrten Fluchtziel geworden. Anders als in den europäischen Asylländern waren die Vertriebenen, die in aus europäischer Sicht gesehen abgelegenen Orten Schutz fanden, intensiver als Flüchtlinge in Europa oder den USA mit der Fremdheit ihrer neuen Umgebung konfrontiert und mit der Distanz, die es im Falle einer Rückkehr nach Europa zu überwinden galt. Während die mittel- und südamerikanischen, asiatischen und afrikanischen Länder als gänzlich fremd wahrgenommen wurden, sahen sich die Flüchtlinge in Australien - trotz der geographischen Distanz - mit einer Gesellschaft konfrontiert, die an britischen Werten ausgerichtet und in vielem doch ganz uneuropäisch war.

Die Exilkultur in Australien entwickelte sich unter spezifischen Bedingungen und Voraussetzungen. Drei Faktoren sind besonders wichtig, wenn es darum geht, das Exil in Australien von dem in anderen Exilländern zu unterscheiden: die Aufnahmebedingungen in Australien, der späte Zeitpunkt der Emigration nach Australien sowie die nationale, kulturelle und ethnische Herkunft und Identität der Vertriebenen.

Aufnahme in Australien zu finden, gestaltete sich gegen Ende der dreißiger Jahre zunehmend schwierig. Das Land befand sich am Ende einer wirtschaftlichen Depression, die Einwanderungspolitik war nicht klar geregelt (so existierte etwa kein gesonderter Flüchtlingsstatus), und die australische Regierung war auf einen Massenandrang, wie er Ende der dreißiger Jahre erfolgte, nicht vorbereitet.

So langten beispielsweise innerhalb zweier Wochen nach der Annexion Österreichs 6.000 Anträge allein bei der australischen Botschaft in Wien ein (Bartrop 1994, 50). Wenn die historische Abfolge der Entwicklung der Einwanderungspolitik rückblickend betrachtet oft unstrukturiert und verwirrend erscheint, dann liegt das an der Überforderung des australischen Staates, innerhalb einer relativ kurzen Zeit Regelungen und Gesetze zu verabschieden und zu implementieren, um mit der neuen Situation zu Rande zu kommen.

Prinzipiell kann festgehalten werden, dass der australische Staat nur an einer beschränkten Aufnahme von Einwanderungswilligen Interesse hatte. Die Kriterien schwankten, orientierten sich jedoch an den Parametern Familienzusammenführung, verfügbares Kapital und "Assimilationsfähigkeit" (Bartrop 1994, 27 ff). In einem Memorandum im Jahr 1938 schlug der australische Innenminister John McEwen vor, die Anzahl der jüdischen Einwanderer zu beschränken, deutschsprachige Juden und Jüdinnen gegenüber solchen polnischer Herkunft vorzuziehen. Einwanderer, so McEwen, die bestimmten wünschenswerten Berufsgruppen angehörten, seien ebenso zu bevorzugen wie solche, die mehr Geld ins Land brächten, gleichwohl seien junge Einwanderer bei ungefähr gleicher Qualifikation älteren vorzuziehen, und auch der Typ, beurteilt nach Fotografien, beigelegten Referenzen sowie Nationalität und Beruf, spielte eine Rolle.

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