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KAPITEL

1. Australien
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2. "Österreichisches" Exiltheater und -kabarett
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3. Frühe Reaktionen (1941-1950)
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4. Hochblüte (1950-1960)
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5. Sprach- und Identitätswechsel (1957-1973)
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6. Anhang
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Birgit Lang:
"The Earnestness of being Importer." "Österreichisches" Theater und Kabarett im australischen Exil


In den vierziger Jahren waren in Australien nur zwei Theatergruppen tätig, beide in Sydney. Das Kleine Wiener Theater, gegründet von den Ehepaaren Else und Alfred Baring, Erna und Gerhard Felser, Kuki und Paul Jordan sowie Liesl und Gustav Körner, begann seine Vorführungen 1941 mit einem Kabarettprogramm, das den Titel "Wiener Bilderbuch" trug. Gespielt wurde in Wohnungen und Vorgärten. Alsbald erreichte die Emigrant/inn/en jedoch ein freundschaftlicher Hinweis, die Aufführungen einzustellen. Dies geschah auch, denn, so schreibt Gerhard Felser, "wir wollten nicht in einem Internierungslager enden" (Felser 1989, 4). Es gelang den Emigrant/inn/en allerdings noch während des Krieges eine Sondergenehmigung zu erlangen. Der kritische Punkt, die Aufführungssprache Deutsch, wurde mit der Phrase "a language such as spoken in neutral Switzerland" umschrieben (Felser 1989, 7 sowie Bittman 1989, 411). Das neue Programm trug den Titel "Wurzthalergasse 10" und wurde unter anderem auf einer kleinen Bühne in Sydney aufgeführt.

Im Jahr 1945 organisierte die Wienerin Lola Steiner im Namen der WIZO, der Women´s International Zionist Organisation, einen "Bunten Abend". Die Vorstellung war ein durchschlagender Erfolg, dargeboten wurden musikalische Nummern, Conferencen und Kabarettszenen, das anwesende Publikum, rund vierhundert Personen, war begeistert (Bittman o. J., 6). Arrangeur war der aus Wien stammende Karl Bittman, der in Wien bereits beim "Politischen Kabarett", im Kabarett "ABC" und im Kabarett "Die Seeschlange" tätig gewesen war und sich außerdem als Satiriker in der "Arbeiter-Zeitung" und im "Götz von Berlichingen" einen Namen gemacht hatte. Nach dem Erfolg des ersten "Bunten Abends" trat Lola Steiner an Karl Bittman heran und bat ihn, ein größeres Programm zusammenzustellen. Aufführungsort war die Assembly Hall in Sydney, eine Versammlungshalle der Presbyterianer, die rund 1.200 (!) Personen fassen konnte. Ein Inserat auf der Titelseite der "Sydney Jewish News" vom 25. Mai 1945 weist schon auf den Erfolg des "Bunten Abends" hin, die Premiere am 2.6. war ausverkauft. Auch im Jahr 1946 fand ein ähnlich erfolgreicher "Bunter Abend" statt.

Im selben Jahr lud Alfred Baring Karl Bittman und die anderen Theaterkünstler/innen der "Bunten Abende" ein, dem Kleinen Wiener Theater beizutreten, ein Angebot, das gut aufgenommen wurde. Von diesem Zeitpunkt an schrieben Karl Bittman und Alfred Baring die Kabarettstücke gemeinsam. Die beiden Theatergruppen verschmolzen auch auf schauspielerischer Ebene, und die Anzahl an Produktionen nahm kontinuierlich zu, wobei bis zu Beginn der fünfziger Jahre neben dem Kabarett das Lustspiel den Spielplan des Kleinen Wiener Theaters dominierte.

Weder die Manuskripte der Aufführungen während des Krieges noch die "Bunten Abende" der Jahre 1947 und 1949 haben den Lauf der Zeit überstanden. Erhalten geblieben sind die "Bunten Abende" aus den Jahren 1945 und 1946 (und alle nach 1949 entstandenen) sowie die aufgeführten Theaterstücke. Das Kabarett versuchte, die Situation der Vertriebenen in Australien humoristisch zu erfassen und hob in diesem Zusammenhang besonders die Differenzen zwischen den Geschlechtern (vgl. dazu Lang 1999) und den Generationen hervor. Außerdem wurden im Kabarett bestimmte Themen wie die australische Immigrationspolitik und der Antisemitismus (vgl. dazu Lang 2000, 256-258) behandelt.

Der Theaterspielplan konzentrierte sich auf Stücke, zumeist Lustspiele, welche Teilen des Publikums aus Wien bekannt waren. Als Beispiel möchte ich das erste abendfüllende mehraktige Theaterstück des australischen Exils, nämlich "Ist Geraldine ein Engel?" von Hans Jaray vorstellen. Das Kleine Wiener Theater führte das Stück erstmals 1948 auf und nahm es 1949 wieder auf. Gespielt wurde an Sonntagen im "Independent Theatre" in Sydney, der renommiertesten Kleinbühne vor Ort, deren Direktorin Doris Fitton mit den Ehepaaren Baring und Felser vom Kleinen Wiener Theater befreundet war.

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