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KAPITEL

1. Politisches Kabarett
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2. Blaue Blusen/Rote Spieler
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3. Jüdisch-Politisches Cabaret
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4. Der liebe Augustin
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5. Die Stachelbeere
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6. Die Seeschlange
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7. Literatur am Naschmarkt
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8. ABC
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9. Anhang
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Herbert Staud:
Die Wiener Kleinkunst der Zwischenkriegszeit im Widerstand gegen den Faschismus


[...] Pollak: (erhebt sich) Herr Staatspräsident, Herr Staatskanzler, Exzellenzen, meine Damen und Herren! Heute jährt sich zum 25. Male der glorreiche Tag, der das Gesicht der Welt entscheidend gewandelt hat, der Tag, an dem die zähe Arbeit von Generationen endlich ihre Früchte trug. [...] Wir Juden haben uns human und tolerant verhalten, als unsere Stunde schlug, und wir sind stolz darauf, daß wir unsere Prinzipien nicht mit Gewalt, sondern mit den Mitteln der Überredung und der Diskussion durchgesetzt haben.

1. Zwischenrufer: (von der Galerie): Überflüssiges Gedeigez!

2. Zwischenrufer: Hast e Stolz!

Goldberger: Bitte um Ruhe - Fahren Sie fort, Magnifizenz!

Pollak: Heute dürfen wir sagen, daß auch die letzten Härten der Übergangszeit überwunden sind. Das Zwangsabonnement auf die "Neue Freie Presse" ist seit Jahren aufgehoben, der grüne Fleck für Christen abgeschafft, ihre Ghettos - bis auf das in Liebhartstal - verschwunden, und das Märchen, daß sie das Blut minderjähriger Talmudschüler zur Herstellung ihrer Guglhupfe verwenden, glaubt kein Vernünftiger mehr. Andererseits ist nicht zu leugnen, daß unsere Welthauptstadt Wien (Applaus) durch die verstärkte Zuwanderung von Westchristen vor schwere Probleme gestellt wurde. Das gutturale Alpengejodel, die Lederhosen und die bezeichnenderweise so genannten Goiserer entstellten unsere kosmopolitische Wienerstadt in einer Weise, die uns zum Gelächter der internationalen Touristik machte. Doch hat es sich dank der unermüdlichen Aufklärungsarbeit des Ministeriums für Folklore und Ursprungskunde auch diese Situation in Wohlgefallen aufgelöst, ohne daß es zu Übergriffen gegen unsere aus dem Gebirge stammenden, scherzhaft als "Kropferte" bezeichneten Mitbürger gekommen wäre. Heute dürfen wir mit ruhigem Gewissen ausrufen: Die Zeit des Christenhasses, dieser Schande des Jahrhunderts ist endgültig vorbei! [...]

(zit. nach Teller 1982, 319-321)

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