zurück zum Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

1. Aspekte des Exils von Schriftstellerinnen
anzeigen

2. Vicki (Hedwig) Baum (1888-1960)
anzeigen

3. Hermynia Zur Mühlen (1883-1951)
anzeigen

4. Mela Hartwig (1893-1967)
anzeigen

5. Lili Körber (1897-1982)
anzeigen

6. Hilde Spiel (1911-1990)
anzeigen

7. Resümee
anzeigen

8. Anhang
anzeigen

 

Sigrid Schmid:
Schriftstellerinnen im Exil - Zuständig fürs Überleben

Aspekte des Exils von Schriftstellerinnen


Generell kann man sagen, dass die Frauen in der Exil-Situation sehr rasch auf die Notwendigkeit, den Alltag selbst zu organisieren, reagiert haben, während sich die Männer in diesem Punkt meist auf ihre Ehefrauen oder Freundinnen verließen. In fast allen Biographien findet man bei den Frauen eine Periode, in der sie jeden Job annahmen, um für die Familie Geld zu verdienen. Das heißt, sie arbeiten als Hausgehilfin, als Köchin, als Putzfrau, sie tippen Manuskripte, arbeiten als Kellnerinnen oder in der Fabrik. In all diesen Positionen kommen sie in direkten Kontakt mit den Bewohner/inne/n des Gastlandes und lernen so - direkt und praktisch - die jeweilige Landessprache und auch die Umgangsformen und die Alltagsgewohnheiten kennen, was natürlich zu einer besseren Anpassung an das neue Land führt. Diese praktische Lebensbewältigung wird nicht nur von Frauen ausgeübt, die keine berufliche Qualifikation hatten; wir finden dieses Muster durchaus auch bei Akademikerinnen, bei Schriftstellerinnen, und auch bei Frauen aus der begüterten Oberschicht, die bis zur Emigration über Dienstboten verfügten und selber keinerlei Haushaltserfahrung haben. Nur ganz wenige Frauen bestehen darauf, wie zum Beispiel Maria Leitner (1892-1942), in ihrem angestammten Beruf als Schriftstellerin und Journalistin weiter zu arbeiten. Ihre verzweifelten Briefe mit der Bitte um Unterstützung an Hubertus Prinz von Hohenlohe zeigen auch diesen Aspekt ihrer Lage drastisch. "Maria Leitner bemühte sich intensiv um ein Visum für die USA - aber leider erfolglos. Sie war von den US-Behörden als Ungarin - und damit als angeblich weniger gefährdet - eingestuft worden, wie aus einem ihrer letzten Briefe hervorgeht. Im Frühjahr 1942 wurde sie nochmals im Büro des American Rescue Committee von Varian Fry in Marseille gesehen: eine völlig verzweifelte Frau, die dringend ärztlicher Hilfe bedurfte. Maria Leitner dürfte verhungert sein." (Bolbecher/Kaiser: Lexikon der österreichischen Exilliteratur 2000, 436)

Bei Männern ist der praktische Zugang zu den Alltagsproblemen des Überlebens sehr viel seltener. Zwar sehen sie, wie das Gedicht Berthold Viertels zeigt, die Problematik sehr wohl, doch für sie fällt Beruf und Berufung (die Schriftstellerei) unbedingt zusammen. Sie akzeptieren meist problemlos die 'Aufopferung' der Frauen, die nahtlos in das traditionelle Frauenbild passt, die "neue Frau" der zwanziger Jahre, deren Emanzipation sich in Berufstätigkeit, Bubikopf und Charleston-Kleid manifestiert hatte, scheint vergessen zu sein.

Berthold Viertel: Die Frauen

Die durchs Exil uns trugen,
Die Frauen, uns verbunden,
Die törichten und klugen
Haben den Weg gefunden.

Der ging über Berge und Meere,
Im endlosen Trott und mit Hast.
Und der Mann war oft eine schwere,
Undankbare Last.


S. 4/13 vorherige Seitenächste Seite

   

IMPRESSUM | 2002 © UNIVERSITÄT SALZBURG