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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Erich Fried und Hans Schmeier im britischen Exil
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3. Identitäten
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4. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Erich Fried (1921-1988) und Hans Schmeier (1925-1943)


Mit anderen Worten: Fried konnte den Zweifel nicht zur Sprache bringen, es entstand kein Gespräch der zwei Zweifelnden (die ihren Zweifel ja auch noch ergründen hätten müssen, so eindeutig und klar wie sein Anlass war der Inhalt des Zweifels nicht). Fried glaubte höchstwahrscheinlich, dass mit dem Eingehen auf den Zweifel der stählerne Willensstrang, der diesen Menschen in einer abstrakt gewordenen Welt festhielt, gerissen wäre und noch größere Gefahr gedroht hätte. Und Fried hat daraus auch die für ihn entscheidende Lehre gezogen und zwanzig Jahre später in einem Radiovortrag für die deutsche Sendung der BBC auch Zeugnis davon abgelegt, dass nicht das Eingehen auf den Zweifel, sondern die Unterdrückung des Zweifels der Verrat an uns selbst ist, den wir fürchten müssen.

Hans Schmeier hat gewiss nicht allein deshalb Selbstmord begangen, weil ihn ehrgeizige und unsensible Funktionäre an die Kandare genommen haben. So soll er, Fried zufolge, im Ungewissen über das Schicksal seiner nach Jugoslawien geflüchteten Mutter gewesen sein und kurz zuvor eine große Enttäuschung in einer Liebesangelegenheit erlitten haben. Um darüber mehr sagen zu können, wissen wir zu wenig über Hans Schmeier. Schmeier wurde am 6. Juli 1925 in Wien geboren. Sein Vater Emil Schmeier, Kaufmann, geboren 4.8. 1878 Wien, starb am 27.9. 1941 im Rothschild-Spital in Wien. Über das Schicksal seiner Mutter Pauline, geborene Pick (geboren am 23.9. 1883 in Selcan/Böhmen), wissen wir vorderhand nur, dass sie mit anderen Familienangehörigen nach Jugoslawien geflüchtet war.

Das Matrikelamt der Iraelitischen Kultusgemeinde Wien hat in dankenswerter Weise Auskunft über die Lebensdaten von Hans Schmeiers Eltern erteilt.

Schmeier kam 1938 mit dem ersten, auf Betreiben Adolf Eichmanns überstürzt zusammengestellten "Kindertransport", der am 11. Dezember 1938 von Wien abging (Vgl. dazu: Barry Turner: Kindertransport. Eine beispiellose Rettungsaktion. Aus dem Englischen von Anna Kaiser. Gerlingen: Bleicher Verlag 1994, 57 ff.), nach England und musste in einem Kinderlager dann vermutlich die erniedrigende Prozedur des so genannten "Kindermarktes" über sich ergehen lassen. (Britische Familien kamen in die Aufenthaltsräume, um sich Kinder auszusuchen, die sie aufziehen wollten. Bevorzugt wurden kleine, hellhäutige Kinder.)

Ich stelle diese Behauptung aufgrund von Gesprächen mit Betroffenen auf, deren Namen ich hier nicht anführen möchte. - Vgl. dazu auch B. Turner, wie oben, Anm. 20, 84: "Das Allertraurigste waren die Kinder, die sich unerwünscht fühlten. [...] Kinder ..., die irgendwie ungewöhnlich waren - ein magerer, unterernährt wirkender Junge oder ein dickes, überfüttert aussehendes Mädchen zum Beispiel, litten unter dem Schmerz der Ablehnung. Die Älteren waren, als Gruppe gesehen, am schwersten zu vermitteln ..."

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