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Konstantin Kaiser:
Österreichische Exilliteratur im Überblick
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Es steht ein Ofen, ein seltsamer Schacht,
ins Sandfeld gebaut, bei Lublin;
es führten die Züge bei Tag und bei Nacht
das Röstgut in Viehwagen hin.
Es wurden viel Menschen aus jeglichem Land
vergast und auch noch lebendig verbrannt
im feurigen Schacht von Lublin.
Die flattern ließen drei Jahre am Mast
ihr Hakenkreuz über Lublin,
sie trieb beim Verscharren nicht ängstliche Hast,
hier galt es noch Nutzen zu ziehn.
Es wurde die Asche der Knochen sortiert,
in jutene Säcke gefüllt und plombiert
als Dünger geführt aus Lublin.
Nun flattert der fünffach gezackte Stern
im Sommerwind über Lublin.
Der Schacht ist erkaltet; doch nahe und fern
legt Schwalch auf die Länder sich hin,
und fortfrisst, solang nicht vom Henkerbeil fällt
des letzten Schinderknechts Haupt, an der Welt
die feurige Schmach von Lublin.
(Kramer 1984, 385)
"Der Ofen von Lublin" von Theodor Kramer ist am 22.8. 1944 entstanden.
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