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KAPITEL

1. Exil und Sprache
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2. Sprachwechsel - Übersicht
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3. Fallbeispiele
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4. Mehrsprachigkeit - Literarisches Übersetzen: Hilde Spiel - Paul Celan
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5. Anhang
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Primus-Heinz Kucher:
Sprachreflexion - Sprachwechsel im Exil


Little Vienna in Asien - Exil in Shanghai zeigen
Blum, Klara in Palästina zeigen

Die Schriftstellerin Klara Blum (1904, Czernowitz - 1971, Guangzhou) war eine der wenigen aus der Exilant/inn/enkolonie von Shanghai, die auch nach 1945 in China geblieben sind und sich in die chinesische Gesellschaft integriert haben. Ab 1952 war sie Professorin für deutsche Sprache und Literatur an den Universitäten Fudan, Nanjing und Guangzhou; 1959 wurde sie Mitglied des Chinesischen Schriftstellerverbandes (Z. Yang, 1996, 48 ff.). In ihrem in China entstandenen Texten rücken denn auch chinesische Themen und Schauplätze in den Vordergrund. Sie hat damit eine grundlegende Überlegung Lion Feuchtwangers über die Arbeitsprobleme des Schriftstellers im Exil zur Basis ihres weiteren Schaffens gemacht: "Das neue Land, in dem wir leben, beeinflußt die Wahl unserer Stoffe, beeinflußt die Form. Die äußere Landschaft des Dichters verändert seine innere." (Feuchtwanger, Arbeitsprobleme, 1943, 27 bzw. Loewy, Exil, 1982, 678)

Feuchtwanger, Lion zeigen
Feuchtwanger Memorial Library zeigen
Feuchtwanger, Lion zeigen

Ihr Roman "Der Hirte und die Weberin" (1951) sowie der Novellenband "Das Lied von Hongkong" (1959) setzen sich intensiv mit den Wendepunkten und Umbrüchen der neuesten chinesischen Geschichte, einschließlich der kulturellen Kontraste zur kolonialistisch präsenten europäischen Welt, auseinander. Wenngleich Blum ihre Schreib-Sprache nicht wechselte, suchte sie doch eine Annäherung an die chinesische Sprache und Kultur, an deren spezifische Ausdruckswelt und mythisch-figurative Tradition. So setzt z. B. der Roman mit einem chinesischen Satz ein und bezieht auch "typisch" chinesische Redeweisen und Formen wie Volkslegenden, Märchen oder die Lyrik in den Romantext ein (Yang, 1996, 189f.). Nachdichtungen aus dem Chinesischen (wie aus anderen Sprachen übrigens auch) ergänzen diese sprach-kulturelle Bewegung und Vermittlungsleistung.

Blum, Klara: Auswahledition zeigen

Freilich gibt es auch das umgekehrte Phänomen: die Entscheidung im Exil bzw. im Gastland zu bleiben, im literarischen Werk jedoch nicht von der Muttersprache loszukommen, die Sprache des Gastlandes auch nach Jahrzehnten nicht als die eigentliche empfinden zu können, wie dies z. B. bei Stella Rotenberg der Fall ist: "Wir sprechen die Sprachen die nicht unser sind .../Wir haben keine Heimat" (Stella Rotenberg, Scherben, 1991, 30), oder bei Ernst Waldinger trotz seiner Lehrtätigkeit in den USA.

Vergleichen Sie dazu auch unsere Porträtvorlesung zu Stella Rotenberg.

Und schließlich ist noch auf Positionen hinzuweisen, wie sie Elias Canetti vertreten hat, als er für sich die Frage des Exils und der Sprache trotz mehrfachen Sprach- und Kulturwechsels - von der spaniolitischen Kindheitssprache ins Englische und anschließend erst ins Deutsche, dem er dann trotz jahrzehntelangem Lebensmittelpunkt in London verbunden blieb -, jener einer typologisch verstandenen modernen Autor-Erfahrung (des Kulturwechsels) nachgeordnet sah:

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