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KAPITEL

1. Exil und Sprache
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2. Sprachwechsel - Übersicht
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3. Fallbeispiele
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4. Mehrsprachigkeit - Literarisches Übersetzen: Hilde Spiel - Paul Celan
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5. Anhang
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Primus-Heinz Kucher:
Sprachreflexion - Sprachwechsel im Exil


that's the "if" and the "how" - were they gased? How long did they suffer?? Don't talk - I got mad - How can this - how can this be true??? [...]

(Mimi Grossberg, Zirkular 54/1999, 25)

Grossberg, Mimi: Geschichte im Gedicht zeigen

In den ersten Jahren nach 1945 wurde Mimi Grossberg auch in der Freizeitgruppe des "Aufbau" aktiv und widmete sich verstärkt gesellschaftlichen und kulturellen Aktivitäten. Aus diesen erwuchs z. B. 1949 eine Theatergruppe, die einen Sketch - "The Refugeria" - von Norbert Grossberg, Mimis Mann, unter ihrer Mitwirkung erfolgreich aufführte. Bei einem Leseabend der Gruppe ergab sich die Begegnung mit Rose Ausländer, die ebendort ihre erste halb-öffentliche Lesung von englischen und deutschen Gedichten hatte.

Grossberg, Heller, Ausländer, Ettisch zeigen

Felix Pollak (1909-1987)

Der international vorwiegend mit seinem Anti-Vietnam-Gedicht "Speaking: The Hero" bekannt gewordene Lyriker, Essayist und Übersetzer zählt zu den wenigen, aber faszinierenden Fällen lebenslänglich praktizierter "Doppelsprachigkeit" (R. Grimm). Im Dezember 1938 in den USA angekommen, zuerst in New York, dann bei der US-Armee als Übersetzer bis 1946 und ab 1959 in Madison als Kustos an der University of Wisconsin tätig, lebte Pollak abseits des literarischen Betriebs, unterhielt aber dennoch einige wichtige Freundschaften (Anais Nin, Henry Miller, Hans Magnus Enzensberger, R. Grimm), die ihm über sein Exilantendasein ein wenig hinweghalfen. Der Großteil seiner fast nur auf Englisch verfassten Gedichte erschien zwar sehr spät, d. h. in Buchform erst in den 70er- und 80er Jahren; ihre Entstehung reicht aber oft in die 50er Jahre zurück, wie die Korrespondenz mit Anais Nin (1952-1976) belegt. Im Nachlass fand sich weiters ein Aphorismen-Bestand auf Deutsch, der in die 30er Jahre zurückreicht und gemeinsam mit englischen im Band "Lebenszeichen" posthum veröffentlicht wurde. Hinzu tritt noch seine Vermittlungs- und Übersetzungsleistung vom Deutschen ins Englische (Heinrich Heine, Rainer Maria Rilke, Frank Wedekind, Robert Musil, Karl Krolow), die Felix Pollak als einen wichtigen, vielfach unterschätzten Dichter zwischen den Sprachen und zugleich als einen singulären Exilanten ausweisen.

Pollak, Felix: Vom Nutzen des Zweifels zeigen

Pollaks Lyrik entstand also vorwiegend auf Englisch und zeichnet sich durch eine stupende Beherrschung von Form und Sprache aus. Finden sich in den frühen Bänden wie "The Castle and the Flaw" (1963) oder "Say When" (1969) noch überwiegend "kunstvoll verschlungene [...] Reimstrukturen und Strophengebilde" (Grimm, 1988, 212), so bevorzugte er in den späteren die schlankeren, bündigeren, prosaischeren Sprechgedichte, die an Erich Fried erinnern. Aber auch im frühen Werk stehen bereits reimlose und gereimte Kompositionen nebeneinander, z. B. in den Gedichten "Ad Poetam" (1955) und "Discussing Poetry/Über Lyrik" (1958). In den von Pollak angefertigten Übersetzungen seiner eigenen Gedichte kommt seine Sprachpräzision nochmals zum Ausdruck: in maximaler Korrespondenz und gleichzeitig poetischer Eigenständigkeit. So z. B. im Gedicht "Refugee", in dem die im Englischen auch visuell sichtbare Fokussierung und sprachliche Bewegung auf die beiden Schlussverse hin im Deutschen zwar nachvollzogen, aber doch mit geringfügigen Akzentuierungen gestaltet werden.

He was born in Vienna he died in Auschwitz he is living in New York

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