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KAPITEL

1. Rudolf Frank: "Fair play". Entstehung, Edition, kritische Urteile
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2. Wien als Stadt des Exils
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3. Geschichte und Roman: Historische Innensichten. Wiener Theater und Kleinkunstbühnen
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4. Geschichte und Roman: Historische Außensichten: Sozioökonomische Gegebenheiten, politische Strukturen, ideologische Legitimationsmuster
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5. Abschließende Bemerkungen
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6. Anhang
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Beatrix Müller-Kampel:
Als Exilant im austrofaschistischen Wien - Rudolf Franks autobiographischer Zeitroman "Fair play"


Die Textpassagen "Nur das Proletariat hat er nicht durchgenommen. Das Wort ist ihm unbehaglich, schon seit seiner Leutnantszeit. Er sagt <lieber> 'Volk', noch lieber 'christliches Volk', denn dieses ist eins mit <der Kirche, und die Kirche ist Gottseidank eins mit> ihm und mit der Schwerindustrie, dem Heer, dem Großgrundbesitz, der Verwaltung und gesegnet von Wiens Kirchenführer und Kardinal, ohne dessen Empfehlung kein Schornsteinfeger aufs Dach und kein Rechtsanwalt auf den Ministersessel gelangt. [...] So wenig wie'das Proletariat' hat Kurt Schuschnigg im Jesuitenkolleg zu Feldkirch 'den Menschen' gehabt. Wozu den Menschen?" und "Wien - <Österreich> ist des Ostens vorgeschobenste Bastion. Er muß sie halten mit aller Kunst und <Technik und> ohne Blutvergießen." wurden im Typoskript handschriftlich gestrichen.

Hekuba: in der griechischen Mythologie Gattin des Priamos und Königin von Troja; hier im Sinn des geflügelten Wortes: "Was ist ihm Hekuba, was ist er ihr,/Daß er um sie soll weinen?" (Aus Shakespeares "Hamlet".)

In dieser Schlüsselpassage vom Theaterbesuch Konrad Hollers verdichten und verschränken sich Franks persönliche Erinnerungen an seinen ersten Tag in Wien, Informationen zur politischen Geschichte und zeitgenössischen Innenpolitik Österreichs, theater- und dramengeschichtliche Kenntnisse sowie psychographische Kommentare zu einem umfassenden Bild dessen, was Österreich 1936 innen- und außenpolitisch bestimmt und schließlich zu Fall bringen wird: Albert und Else Bassermann, NS-Flüchtlinge aus Deutschland, spielen auf einer staatstragenden österreichischen Bühne mit liberal-humanistischer Spielplanpolitik in zwei pazifistischen Stücken mit unmittelbaren Gegenwartsbezügen - beobachtet und belauscht von Bundeskanzler Schuschnigg, der alle Anspielungen nicht nur registriert, sondern deren Horizont reflektiert und identifikatorisch auslotet.

Bassermann, Albert zeigen
Bassermann, Else zeigen
Schuschnigg, Kurt (von) zeigen

Hektor auf der Bühne will den Frieden, der Autor Giraudoux will ihn, Schuschnigg, die Bassermanns, Rudolf Frank und Konrad Holler wollen ihn - "bloß die andern, die wollen ihn nicht: die Böotier" (Frank 1998, 89). Mit dem 'Anschluss' entlarvten sich die Friedenshoffnungen der deutschen Flüchtlinge wie der österreichischen Patrioten, der Marxisten, Sozialisten wie der Katholiken und Christlichsozialen, von Rudolf Frank, Kurt Schuschnigg wie von Konrad Holler und Lili von Crailing als das, was sie von vornherein waren: als trügerische Wunschbilder, die man sich vom 'Christlichen Ständestaat' gemacht hatte. Bei einer Wahlbeteiligung von 99 Prozent stimmten am 10. April 1938 99,73 Prozent der Österreicher/innen für die Vereinigung mit Hitler-Deutschland.

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