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KAPITEL

1. Rudolf Frank: "Fair play". Entstehung, Edition, kritische Urteile
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2. Wien als Stadt des Exils
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3. Geschichte und Roman: Historische Innensichten. Wiener Theater und Kleinkunstbühnen
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4. Geschichte und Roman: Historische Außensichten: Sozioökonomische Gegebenheiten, politische Strukturen, ideologische Legitimationsmuster
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5. Abschließende Bemerkungen
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6. Anhang
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Beatrix Müller-Kampel:
Als Exilant im austrofaschistischen Wien - Rudolf Franks autobiographischer Zeitroman "Fair play"


"Kalter Staatsstreich": So die mittlerweile unter den Historikern getroffene Sprachregelung. (vgl. etwa Binder 1997, 210)

Mit Berufung auf diese vorgebliche 'Selbstausschaltung' des Parlaments verhinderte der christlichsoziale Bundeskanzler Dollfuß ein Zusammentreten des Nationalrates und sah damit die Gelegenheit gekommen, seine Gegner auszuschalten und fortan nach ständestaatlichen, autoritären und zunehmend faschistischen Grundsätzen zu regieren. Seit März 1933 wurden unter ständigem Verfassungsbruch rund 300 Verordnungen aufgrund eines kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes aus dem Jahr 1917 erlassen: Die Pressefreiheit und das Versammlungsrecht wurden eingeschränkt, die Rechtssprechung über politische Delikte der Polizei übertragen, der Republikanische Schutzbund (der sozialdemokratische Wehrverband) aufgelöst, die Kollektivverträge aufgehoben und die Löhne herabgesetzt, die Arbeitslosenunterstützung erheblich reduziert, ein Streikverbot für eine Reihe von Industriezweigen erlassen

Die ersten "Notverordnungen" zur ?Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung' waren noch in gleichem Maße gegen Sozialdemokraten und Nationalsozialisten gerichtet. 1933 wurden Anhaltelager errichtet, die beiden größten in Wöllersdorf und Kaisersteinbruch. Zunächst nur als Notarreste für sozialistische und nationalsozialistische Verwaltungshäftlinge gedacht, "wurden sie bald zum Instrumentarium der Rechtlosigkeit, denn die Anhaltung konnte auf unbestimmte Zeit verhängt werden, und für die Einweisung genügte der bloße Verdacht einer verbotenen Parteibetätigung." (Jagschitz 1976, 53)

"Mit Weinert und Brecht", erklärt ein dubioser Sachse namens Schulz-Annaberg der engagierten Rezitatorin Lili, "kommen Sie nicht nach Floridsdorf, sondern ins Anhaltelager Wöllersdorf, Fräulein Crailing." (Frank 1998, 102)

Bertolt, Brecht zeigen
Bertolt, Brecht zeigen
Bertolt, Brecht zeigen

Der austrofaschistische Staat ruhte konfessions-ideologisch auf den Säulen des staatskirchlichen Katholizismus, auf den er sich berief und der seinerseits in der autoritären christlichsozialen Politik von Engelbert Dollfuß und dessen Nachfolger Kurt Schuschnigg viele seiner Grundsätze verwirklicht sah. Fundamentalistische katholische Grundsätze waren dem Juristen Schuschnigg (Riva, Südtirol 1897-Mutters bei Innsbruck 1977) bereits im privaten Jesuiteninternat "Stella Matutina" in Feldkirch, einer deutschnational-konfessionspolitischen Kaderschmiede, zur zweiten Natur geworden (vgl. Schuschnigg 1937, 35-39 und Frank 1998, 269-276) und blieben fortan argumentative Eckpfeiler seines Selbstverständnisses wie realpolitischen Kalküls: "Der Katholizismus in diesem Lande ist erdverwurzelt", bekannte Schuschnigg beispielsweise 1934 in einer Rede im steirischen Wallfahrtsort Mariazell.

Dollfuß, Engelbert zeigen
Schuschnigg, Kurt (von) zeigen

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